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Säuglinge sind hungrig nach Empathie

Zwischenmenschliche Empathie ist keine angeborene Eigenschaft. Ihr Erwerb gehört jedoch zum Entwicklungsprogramm, das die Natur für den Menschen vorgesehen hat. Für diese Annahme sprechen Konstruktionsmerkmale des menschlichen Gehirns. Joachim Bauer erklärt: „Die Geschichte der Empathie innerhalb des Lebens eines Menschen nimmt ihren Anfang in den ersten Lebenstagen. Säuglinge brauchen die einfühlende Reaktion ihrer Bezugspersonen. Sie sind hungrig nach Empathie.“ Wenn sie diese nicht erhalten, können daraus später Entwicklungsstörungen und eine Unfähigkeit zur Empathie resultieren. Dass man sich in ihn einfühlt, erkennt der Säugling daran, dass Bezugspersonen seine körpersprachlichen Mitteilungen der Freude, der Wonne, des Missbehagens, der Angst und des Ärgers mit einer Spiegelungs- oder Resonanzreaktion beantworten. Diese Resonanzreaktionen lassen den Säugling spüren, dass er erkannt oder gesehen wurde. Joachim Bauer ist Arzt, Neurowissenschaftler, Psychotherapeut und Bestsellerautor von Sachbüchern.

Erwachsene kennen das Phänomen der Resonanz

Die Resonanzreaktionen seiner Bezugspersonen lösen nun ihrerseits im Säugling eine Resonanz aus. Das hat eine Art von „kommunikativem Tanz“ zur Folge. Dieser lässt sich wunderbar beobachten, wenn empathisch begabte Bezugspersonen mit ihrem Winzling Kontakt aufnehmen. Die biologische Grundlage dieses Hin und Her zwischen Säugling und Bezugsperson ist ein neuronales Resonanzsystem, das System der Spiegelnervenzellen. Es kommt nicht nur zwischen Kindern und Erwachsenen in Gang.

Sondern es wird auch im späteren Leben immer dann aktiv, wenn zwei Menschen sich begegnen. Erwachsenen ist das Phänomen der Resonanz ganz gut vertraut. Man fühlt beispielsweise selbst Schmerz, wenn man zufällig mitansehen muss, wie jemand anderer sich den Finger einklemmt oder sich mit dem Messer schneidet. Emotionale Ansteckungen, die man im Alltag ständig erlebt, sind Resonanzphänomene. Sie beruhen darauf, dass die Körpersprache und Sprache anderer Menschen im Beobachter eine spiegelbildliche Aktivierung von Nervenzellen hervorrufen kann.

Resonanz ist die Grundlage aller Empathie

Joachim Bauer weiß: „Eine wechselseitige mitschwingende Resonanz ist die Grundlage aller Empathie.“ Die Art und Weise, wie Erwachsene mit Säuglingen und Kleinkindern umgehen und wie sie auf ihren Winzling reagieren, enthält zahllose unausgesprochene, implizite Botschaften. Wenn das Kind viel Einfühlung, also viel mitschwingende Resonanz erlebt, dann resultiert daraus eine Art Botschaft, die ihm das Gefühl gibt, dass es willkommen auf der Welt ist.

Zudem merkt es, dass es für seine Mitmenschen ein Grund zur Freude ist und dass man ihm zutraut, dass aus ihm einmal etwas Gutes werden wird. Wenn dagegen keine Einfühlung vorhanden ist, wird dies dem Kind das Gefühl geben, unwillkommen und lästig zu sein. Wie auch immer die sich aus den wechselseitigen Resonanzen ergebenen Botschaften ausfallen, sie werden vom Gehirn des Säuglings abgespeichert. Sie bilden den „Content“, also das informative Material, das im Kind im Verlauf der ersten Lebensmonate und -jahre ein „Selbst“ entstehen lässt. Quelle: „Fühlen, was die Welt fühlt“ von Joachim Bauer

Von Hans Klumbies

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