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Zuerst dominiert der Täter die Partnerschaft

Bei Tötungen des Intimpartners durch den ehemaligen Gatten oder Gefährten entwickelt sich der böse Gedanke aus dem Gefälle in der Täter-Opfer-Beziehung, nachdem sich die ursprünglich stabilen Kräfteverhältnisse in den emotionalen Beziehungen innerhalb einer Partnerschaft verändert haben. Reinhard Haller erläutert: „In der Regel nimmt der spätere Täter, meist der Mann, am Beginn der Beziehung die Position des Dominierenden ein, er ist seiner Partnerin überlegen, sorgt für das gemeinsame Einkommen und legt mit Selbstverständlichkeit die Regeln des Ehe- und Familienlebens fest.“ Hingegen passt sich das spätere Opfer lange Zeit an, ordnet sich dem bestimmenden Partner unter, schränkt die eigenen Bedürfnisse ein und verzichtet auf eine autonome Lebensführung. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Das Machtgefüge gerät in erhebliche Instabilität

Sobald nun der bislang zurückstehende Teil erste Versuche macht, sich eigene Bereiche zu schaffen und selbstständige Wege zu gehen, gerät das ehemals klare, starre Machtgefüge in erhebliche Instabilität. Reinhard Haller erklärt: „Der noch Bestimmende sieht seine Position gefährdet, reagiert mit Unruhe und Unverständnis und versucht, die alten Verhältnisse wiederherzustellen.“ Mit allen Mitteln kämpft er um das Wiederreichen des früheren, für ihn so angenehmen Gleichgewichts und seiner alten Machtposition. Dabei bringt er alle Formen der psychischen Beeinflussung, vom Betteln bis zum Drohen und von Suiziderpressungen bis zu Mordankündigungen reichend, zum Einsatz.

Trotzdem muss er spüren, wie sich seine immer verzweifelteren Agitationen als fruchtlos, ja sogar als kontraproduktiv erweisen und wie er den Partner immer weiter von sich wegtreibt. In seiner immer aussichtsloseren Lage versucht er, dem durch „Dosissteigerung“ entgegenzusteuern: Die Bitten und Forderungen werden ultimativer und die Drohungen schärfer. Der ursprünglich mehr liebende Teil wendet sein Interesse umso entschlossener ab und zieht seine Zuwendung drastisch zurück.

Der ehemals Bestimmende ist plötzlich der Unterlegene

Aus seiner Sicht verliert der in der alten Ordnung geliebte und nie infrage gestellte Mann an Ansehen und Attraktivität. Die bisherige Rangordnung wird hinterfragt, die eigenen Autonomiebestrebungen werden durch die Gefahr neuer und intensiverer Einengungen immer stärker. Reinhard Haller ergänzt: „In der Entfaltung des weiteren Konflikts klammert sich der eine Partner immer verzweifelter an den anderen, während dieser Distanz und Unabhängigkeit sucht, sich immer mehr absetzt und dadurch unerreichbar wird, ja durch die Gegenwehr sogar feindliche Züge annimmt.“

Die Spirale der negativen Emotionen wird durch die täglichen Auseinandersetzungen emporgeschraubt, die Situation des Unterlegenen wird immer hoffnungsloser. Er fühlt sich unverstanden, verletzt, erledigt und unendlich gedemütigt. Der ehemals Bestimmende, Bewunderte und Maßgebende findet sich somit plötzlich in der Situation des Unterlegenen. Er reagiert auf die Erkenntnis, weniger geliebt zu werden, immer panischer und verfällt in Selbstmitleid, Depressivität und Suizidalität. Es tritt das ein, was man als narzisstische Kränkungsreaktion bezeichnet. Quelle: „Das Böse“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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