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Die Sozialen Medien verändern die Liebe

Alles in allem entsprechen die Möglichkeiten der Sozialen Medien der Organisation des Liebeslebens für eine flexiblere Zeitplanung und damit der Steigerung der individuellen Möglichkeiten. Peter Trawny schränkt ein: „Die Wahrheit dieser Möglichkeiten liegt in dem, was das Soziale Medium dann nicht leisten kann: in der leibhaftigen Begegnung.“ In ihr werden sich die uralten Kräfte der Liebe melden und die Unabhängigkeit der gematchten Partner kollabieren lassen. Oder es wird diese Begegnung nicht mehr geben. Die Kultur der Kommunikation hat sich in den letzten zwanzig, dreißig Jahren auf eine Weise verändert, die auch das Beziehungsleben erreicht. Peter Trawny erinnert sich noch an die Zeit vor dem PC, an eine Zeit vor dem Internet und all jenen Apps, die heute die persönlichen Kontakte organisieren. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

Früher wurden noch Briefe geschrieben

Damals gab es ein Telefon, das, durch ein Kabel fixiert, an einem schnell zugänglichen Platz in der Wohnung seinen Ort hatte. An Ferngespräche, Anrufe über die nationalen Grenzen hinaus, war nicht zu denken. Ohne Handy oder Smartphone war die elektronische Kommunikation auf das Telefon beschränkt. Es gab natürlich noch das uralte Medium, das es seit Menschengedenken gab: den Brief. Dieser wurde, nachdem man ihn mit der Hand geschrieben hatte, oft nach einer ebenfalls handschriftlich gefertigten Vorlage, zum Postkasten oder aufs Postamt gebracht.

Dann wartete man auf die Antwort – welch ein Warten … Peter Trawny sagt es mit anderen Worten: „Die Kommunikation, die über die unmittelbare Nähe des Geliebten hinausging, geschah in lang ausschwingenden Rhythmen und in sehr gemäßigten Tempi.“ Die Informationen, die man vom und über den Anderen empfing, waren abgemessen, nicht selten sogar lückenhaft. Dass man von jemandem tagelang nichts hörte, war keine Seltenheit.

Im Internet geht die Exklusivität verloren

Im Zeitalter von WhatsApp, Twitter, Instagram und Facebook ist das undenkbar. Inzwischen gibt es über Kontinente hinweg den permanenten Austausch in Echtzeit. Das verändert die Beziehungsstruktur der Liebenden radikal. Nun kann man die Geliebte jederzeit ansprechen und so beanspruchen. Das Ausbleiben einer Antwort ist verdächtig: Will sie nicht antworten? Warum nicht? Zudem kann man zu jeder Zeit nachvollziehen, wie der Geliebte in anderen Formaten der Kommunikation agiert.

Peter Trawny fügt hinzu: „Gibt es doch keinen Grund, dass er unabhängig von mir, das heißt ohne meine Anwesenheit, Dinge von und über sich postet. Ich kann also sehen, wem er im virtuellen Raum des Cyberspace begegnet, kann miterfahren, was er tut. Oder verwendet er noch andere Kanäle, von denen ich nichts weiß?“ In diesen Räumen hat die eigene Verbindung mit der Geliebten keine Exklusivität. Sie ist x-beliebig, unterscheidet sich nicht. Zugleich aber erfährt man einen andauernden Informations-Overkill. Quelle: „Philosophie der Liebe“ von Peter Trawny

Von Hans Klumbies

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