Perspektivwechsel erfordern Mut
Um sich selbst in eine kreative Grundhaltung zu versetzen, um kreative Prozesse immer wieder zu starten, bedarf es zunächst eines Anfangs und dann einer nachhaltigen Aufrechterhaltung dieses Zustandes. Das Zitat von Hermann Hesse „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ hat zweifellos seine Berechtigung. Markus Hengstschläger weiß: „Und trotzdem bleiben vielen Menschen, wahrscheinlich auch ob ihrer Ängste vor dem Versagen und Scheitern, in ihrem konvergenten, logischen, auf einen bekannten Lösungspunkt hinsteuernden Denken verhaftet.“ Divergentes Denken, das bei kreativen Prozessen vorherrscht, ist offen, unsystematisch, frei assoziierend und experimentierfreudig. Für solch einen Perspektivwechsel, solch eine Verbreitung des Horizontes, bedarf es Mut. Die nachhaltige Förderung von Mut steigert die Motivation, auch ungerichtet in Bewegung zu bleiben, divergent zu denken und proaktiv Ausschau nach neuen Ideen zu halten. Professor Markus Hengstschläger ist Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der MedUni Wien.
„Serendipität“ steht für zufällige Entdeckungen
Amerika, Penicillin, Teflon, Röntgenstrahlen und Viagra haben etwas gemeinsam: Niemand hat sie gesucht, sie wurden zufällig gefunden und ihre Entdeckung hat die Welt verändert. Der Begriff „Serendipität“ steht für zufällige Beobachtungen und Entdeckungen. Markus Hengstschläger ergänzt: „Das Serendipitätsprinzip beschreibt, dass man überraschend etwas finden kann, was man ursprünglich nicht gesucht hat.“ Jeder, der in der Wissenschaft arbeitet, kennt dieses Phänomen gut und kann ganz sicher einige Entdeckungen aufzählen, die er zufällig bei der Arbeit gemacht hat.
„Bei der Arbeit“ ist dabei die Schlüsselformulierung. Wer nicht in Bewegung ist, wer nicht auf der Suche nach irgendetwas ist, kann auch nichts finden. Nur wer konstant und konsequent am Werk ist, macht Begegnungen, egal ob er sie gesucht hat oder nicht. Markus Hengstschläger erläutert: „Das Hin- und Herwechseln zwischen fokussiertem und ergebnisoffenem Gehen hält eine Grundspannung und Mobilität aufrecht, die das zufällige Finden von Lösungen und Ideen fördert.“
Es gibt keine Garantie für die Zukunft
Wenn die Förderung von Lösungsbegabung zu neuen Konzepten führen soll, muss man sie bedingungslos als permanent laufenden Prozess verstehen. Lässt man eine Suspension einfach stehen, so setzen sich in der Mischung die festen Teilchen am Boden ab. Diese Sedimentation kann nur durch stete Energiezufuhr verhindert werden. Markus Hengstschläger erklärt: „Die dadurch aufrecht gehaltene Dynamik begünstigt das Auftreten von Serendipität.“
Der schnelllebige Wandel unserer Zeit setzt Menschen und Unternehmen gewissermaßen unter laufenden Veränderungsdruck, um am Ball bleiben zu können. Dafür sollen immer wieder weitreichende Änderungen betreffend Strategien, Prozesse und Verhaltensweisen bewirkt werden. Allerdings gibt es keine Garantie für die Zukunft. Das heißt jedoch nicht, dass man nicht optimistisch sein darf. Die Zukunft, auf die man in der Gegenwart zugeht, verändert sich permanent. Quelle: „Die Lösungsbegabung“ von Markus Hengstschläger
Von Hans Klumbies