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In seinen Entscheidungen ist der Mensch frei

Die Einflussnahme auf die Überzeugungen, die Menschen zur Frage des freien Willens haben, hat reale Auswirkungen auf das Verhalten der Betroffenen. Joachim Bauer erläutert: „Diese Auswirkungen zeigen sich vor allem dort, wo der freie Wille gefragt wäre. Personen, denen man erfolgreich suggeriert, dass es so etwas wie einen freien Willen gar nicht gebe, lassen nachfolgend eine deutlich reduzierte Selbstkontrolle erkennen. Sie verhalten sich, falls sie die Möglichkeit dazu haben, deutlich unmoralischer.“ Nicht an die Existenz eines freien Willens zu glauben, macht offenbar locker. Es kann für das menschliche Zusammenleben aber unangenehme oder gar gefährliche Folgen haben. Jedenfalls neigten Personen, die man vor einem Experiment in ihren Überzeugungen dahingehend beeinflusste, es gebe keinen freien Willen, in anschließenden Tests um 50 Prozent häufiger zu betrügerischem Verhalten. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

Viele Menschen fühlen sich für nichts verantwortlich

Die Verneinung der menschlichen Entscheidungsfreiheit ist für Joachim Bauer nicht nur in der Sache irrig und unhaltbar. Hinzu kommt, dass die falsche Botschaft, die Neurowissenschaft habe die Existenz des freien Willens widerlegt, in hohem Maße unsinnige und schädliche Konsequenzen für das Zusammenleben haben dürfte. Eine in den Wohlstandsländern ohnehin bereits vorhandene Tendenz, sich in allen Belangen als Opfer, aber für nichts verantwortlich zu sehen, würde zur offiziellen und von der Wissenschaft abgesegneten Doktrin erklärt.

Die Lehre von der Unfreiheit des menschlichen Willens ist eine Ideologie. Diese lähmt jede Initiative, Kreativität und Entschlossenheit. Die durch diesen Determinismus vollzogene Abschaffung des freien Willens würde Heerscharen von Unschuldigen produzieren. Die persönliche Verantwortung wäre abgeschafft. In den wohlhabenden Ländern des Westens formiert sich derzeit allerdings Widerstand: Gegen einen schleichenden Prozess zunehmender Einengung der persönlichen Autonomie, wachsenden Abhängigkeiten und unmerklicher Infantilisierung.

Es regt sich Überdruss am Überfluss

Merkmale dieses Prozesses sind einerseits ein hohes Maß an arbeitsbedingtem – oder durch Arbeitslosigkeit verursachtem – Stress. Zum anderen ist eine Übersättigung spürbar. Der Mainzer Philosoph Thomas Metzinger wagt folgende Voraussage: „Geistige Selbstbestimmung und die Frage, wie sie gestärkt werden kann, wird eines der heißesten Themen der Zukunft sein.“ Bei immer mehr Menschen regt sich Überdruss am Überfluss. Die Akteure des Widerstands gegen eine zunehmende Verminderung der Selbstbestimmung und Möglichkeiten der Selbststeuerung sind überall und in allen Generationen zu finden.

Die britische Rock-Ikone Peter Gabriel findet, dass die Smartphones dazu geführt haben, dass die Menschen immer mehr aus der realen Welt herausgerissen werden. Die Geräte vereinnahmen sie so sehr, dass sie das eigentliche Leben verpassen. Was man aber eigentlich braucht, ist eine Balance zwischen digitaler und realer Welt. Menschen mit einer funktionierenden Selbststeuerung erleben signifikant mehr Glück und weniger Leid, Angst und Depressivität als jene, denen sie fehlt. Deshalb haben mehr und mehr Menschen eine Lust auf Freiheit. Und zwar auf eine Freiheit, die aus gelingender Selbststeuerung erwächst. Quelle: „Selbststeuerung“ von Joachim Bauer

Von Hans Klumbies

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