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Erschöpfung erzeugt zornige Abgrenzung

Der sogenannte „Überlebensmechanismus“ wird als eigene Phase in der Burnout-Spirale beschrieben, denn Distanzierung, Depersonalisation, Desillusionierung und Zynismus sind die Folge. Helga Kernstock-Redl erklärt: „Diese Lösungen setzen allerdings selbstverständlich nicht am sinnvollen Ende des Kreislaufs „Erschöpfung erzeugt zornige Abgrenzung – zornige Abgrenzung erzeugt noch mehr Erschöpfung“ an.“ Nützlicher wäre: eigene Rechte aufbauen, innere Gesetze verändern, den Futterkreislauf grenzenloser Basis-Empathie stoppen, Mentalisieren in vier Schritten lernen, Hilflosigkeit aushalten durch Abgrenzung – und sich auf jenen winzigen Teil der inneren oder äußeren Welt konzentrieren, den man verändern kann. Es gibt leider noch keinen psychologischen Zusatzbonus, wenn man Notleidende beschuldigt, der auch als Selbstberuhigungsmechanismus der Angst bekannt ist. Helga Kernstock-Redl ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Psychologie der Gefühlswelt.

Niemand kann und muss Streitigkeiten vermeiden

Sobald man bei der von Leid betroffenen Person irgendeine Schuld findet, sie also selbst etwas zur Not beigetragen hat, schützt es die Nicht-Betroffenen vor dem angstvollen Gedanken: „Vielleicht kann mir das auch passieren?“ Denn im Brustton der Überzeugung kommt die Antwort: „Nein. Denn ich würde diesen Fehler nie machen, nie so leben, keine solche Entscheidung treffen.“ Helga Kernstock-Redl betont: „Empathie in ihren unterschiedlichen Spielarten ist selbstverständlich trotz allem mehr Segen als Fluch, doch wer stark dazu neigt, tut gut daran, den Umgang mit ihr zu lernen.“

Wie das gehen kann? Selbstberuhigung funktioniert in vier Schritten und man kann dabei mit sich selbst so umgehen wie mit einem richtig guten Freund. Helga Kernstock-Redl weiß: „So wie kein Mensch ohne Gefühle leben kann, kommt keine Gruppe ohne Konflikte aus. Niemand kann und muss Streitigkeiten vermeiden.“ Menschen haben nun einmal unterschiedliche Ansichten, verschiedene Bedürfnisse, wollen Ziele wie Liebe, Macht, Geld oder Ideen durchsetzen, Gefahren abwehren – oder Gerechtigkeit erreichen.

Schuldgefühle wollen eigentlich der Sicherung des Friedens dienen

Schädlich – und glücklicherweise durchaus vermeidbar – sind Eskalationen und Zerstörung. Es gibt natürlich viele Bücher, die unterschiedliche Facetten von Konfliktlösung beleuchten, zum Beispiel jene des Psychologen Friedrich Glasl. Helga Kernstock-Redl stellt fest: „Vielfach übersehen wird jedoch, welch große Rolle der Kampf um Gerechtigkeit und die Abwehr von Schuld und Schuldgefühlen dabei spielt, wenn sich eine sachliche Differenz zum Krieg hochschaukelt.“

Schon früh haben viele Kinder das scheinbar Wichtigste begriffen: Schuld ist schlecht, denn sie verursacht Wiedergutmachung oder Strafe. Die Unschuldigen kriegen den Ball. Helga Kernstock-Redl fügt hinzu: „Auch Schuldgefühle sind lästig, schwächen sie doch den Kampfgeist und hemmen die Schlagkraft. Wer ohne Zweifel glaubt, im Recht zu sein, hat größere Chancen zu gewinnen.“ Und dabei wollen Schuldgefühle, so vermutlich der „Plan“ der Biologie, eigentlich der Sicherung des Friedens und Zusammenhalts in Gemeinschaften dienen. Quelle: „Schuldgefühle“ von Helga Kernstock-Redl

Von Hans Klumbies

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