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Fanatismus wird oft mit Hass genährt

Ein Fanatiker kann sich seines Fanatismus nicht in jedem Augenblick völlig sicher sein. Fanatismus verebbt ohne Nahrungszufuhr, daher muss er immer wieder aufs Neue genährt werden. Seine Nahrung sind flammender Hass und selbstwertbezogene Gefühle. Ernst-Dieter Lantermann ergänzt: „Beide zwingen das Denken unter ihre Regie und ermöglichen jene Vereinfachungen, Abschottungen, Verabsolutierungen, Zuspitzungen und Polarisierungen, die den Kern eines jeden Fanatikers ausmachen.“ Ebbt die innere Erregung des Fanatikers ab, sei es durch Gewöhnung, Erschöpfung, nachlassende Wachsamkeit, mangelnde äußere Bedrohung oder durch Beschwichtigung oder Rückzug der Gegner, besteht die Gefahr einer Erosion des fanatischen Grundes durch Abkühlung des Denkens. Kaltes Denken geht einher mit Differenzierung, Reflexion, Abwägung, Überprüfung und Perspektivenvielfalt. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

In den sozialen Medien häufen sich die Hasskommentare

Der Fanatiker muss also stets für ein hohes Erregungsniveau sorgen, um seine fanatischen Grundsicherheiten nicht aufs Spiel zu setzen. Denn diese ermöglicht ihm erst seine Selbstgewissheit. Ernst-Dieter Lantermann erklärt: „Das kann ihm gelingen, indem er die Dosierung seiner hasserfüllten Taten immer weiter steigert. Das sieht man beim Vorgehen fanatischer Fremdenhasser, das wir seit längerem erfahren. Längst sind hasserfüllte Tiraden übergegangen in Brandstiftungen, gewalttätige Übergriffe bis zum versuchten Mord.“

Nach der Logik des Fanatismus muss sich die Gesellschaft auf immer noch schrecklichere fremdenfeindliche Gewalttaten gefasst machen. Eine andere Möglichkeit liegt im öffentlichen Bekenntnis, in der Sprache der Sozialpsychologie als Commitment bezeichnet. Seit einiger Zeit häufen sich in den sozialen Medien Hasskommentare. Dabei handelt es sich um widerlichste Anschuldigungen, Mord- und andere Drohungen gegen „Gutmenschen“, Fremdenfreunde und andere Feinde, die nicht anonym gepostet, sondern mit vollem Namen gezeichnet werden.

Talkshows werden als Kampfbühnen organisiert

Öffentliche Selbstbekenntnisse erhöhen die Selbstverpflichtung des Fanatikers, sich gegen jeden Widerstand als Fremdenhasser zu erklären. Diese stellen daher verlässliche Barrieren gegen innere Anfechtungen dar. Und gleichzeitig muss der öffentliche Bekenner immer wachsam bleiben, wenn er auf Leute trifft, die er kennt, die aber möglicherweise seinen Fremdenhass nicht teilen. Dadurch sondert er sich von diesen Menschen immer weiter ab. Irgendwann lebt er nur noch unter seinesgleichen, die sich gegenseitig in ihrem Fremdenhass bestätigen und anfeuern.

Eine weitere, an jedem Ort und zu jeder Zeit verfügbare Erregungsquelle sind die Massenmedien. Ernst-Dieter Lantermann stellt fest: „Talkshows werden als Kampfbühnen organisiert. Auf denen siege diejenigen, die ihre Position mit maximaler Zuspitzung und höchster Theatralik vorführen. Der Talk ist gelungen, wenn er die Zuschauer in einen heftigen Erregungszustand versetzt, ob Wut, Verärgerung, Verachtung oder Mitleid, Bewunderung und begeisterte Zustimmung, spielt keine Rolle. Besonders nachrichtentauglich sind Äußerungen und Auftritte von Rechtspopulisten. Quelle: „Die radikalisierte Gesellschaft“ von Ernst-Dieter Lantermann

Von Hans Klumbies

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