Emotionen sind automatische Verhaltensmuster
Die Angst ist vermutlich die typischste aller Emotionen. Manche Forscher unterscheiden terminologisch zwischen „Emotion“ und „Gefühl“, aber in der Alltagssprache sind diese Ausdrücke meist austauschbar. Philipp Hübl erläutert: „Weil wir im Deutschen das Wort „Gefühl“ allerdings auch für Körperempfindungen wie Schmerz oder Kälte verwenden oder für motorische Fähigkeiten wie das Ballgefühl, muss man sich vergegenwärtigen, dass Emotionen eine besondere Klasse unserer Gefühle, oder allgemeiner: unserer mentalen Zustände, darstellen.“ Neben der Angst gibt es natürlich noch andere Emotionen wie Wut, Traurigkeit, Freude, Ekel, Scham, Gewissensbisse, Neid, Eifersucht oder Hoffnung. Fast jede Emotion kann auch bei moralischen oder politischen Fragen eine Rolle spielen. Alle Emotionen zeichnen sich durch dieselben Merkmale aus. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).
Die Angst ist immer auf etwas in der Umwelt gerichtet
Zudem zeichnen sich Emotionen durch automatische Verhaltensmuster aus. Wie Charles Darwin beschreibt, hat ein Mensch kaum eine aktive Kontrolle darüber, dass sie auftauchen und wie er dann reagiert. Man kann sich zwar manchmal selbst beruhigen, nachdem man sich erschreckt hat, oder sich Ängste abtrainieren, wie beispielsweise die Flugangst. Doch das sind immer nur indirekte Wege der Kontrolle. Selbst geübte Bungee-Springer müssen sich einen Ruck geben, um in die Tiefe zu springen.
Außerdem ist die Angst immer auf etwas in der Umwelt gerichtet. Alle Emotionen haben diesen Bezug, eine „Intentionalität“, wie Philosophen sagen. Ein Mensch erlebt nicht einfach so Angst, sondern hat immer Angst vor etwas. Ebenso bei anderen Emotionen: Man ärgert sich zum Beispiel über den Computerabsturz oder hofft auf gutes Wetter. Die Objekte der Angst müssen dabei nicht tatsächlich existieren, es reicht schon, wenn man daran glaubt, wie bei der Angst vor dem Monster unter dem Bett.
Emotionen bilden wichtige Lebensthemen ab
Die Angst erlebt man subjektiv in seinem Bewusstsein, und zwar auf einer Skala der Intensität, die von leichter Nervosität bis zu blanker Panik reicht. Des Weiteren äußern sich Emotionen durch einen typischen körperlichen Ausdruck: Die Augen weiten sich, und die Stimme schnellt in die Höhe. Ein weiteres Merkmal schließlich ist das entscheidende: Angst bezieht sich nicht einfach nur auf Objekte wie Schlangen, sondern als Emotion gibt sie eine Bewertung der Situation ab. Die Angst sagt: „Vorsicht, das ist eine Gefahr!“, nur eben nicht mit Worten.
Emotionen sind Mechanismen, die wichtige „Lebensthemen“ abbilden, wie der amerikanischen Psychologe Richard Lazarus sagt. Dadurch konnten die Vorfahren der heutigen Menschen besser in der Wildnis überleben und sich in die Gruppe integrieren. Wie die Angst einem Menschen mitteilt: „Das ist gefährlich“, sagt der Ekel: „Das ist unrein“. Die Wut macht auf folgendes aufmerksam: „Das ist eine Störung oder ein Angriff“, die Eifersucht sagt: „Jemand bedroht meine enge Sozialbeziehung“, und so weiter. Diese Bewertungen sind aber keine Sätze oder bewusste Gedanken, sondern schnelle und automatische Einschätzungen einer Situation. Quelle: „Die aufgeregte Gesellschaft“ von Philipp Hübl
Von Hans Klumbies