Ein neun Monate altes Baby ist genial
Eine Art menschlicher Sprache entstand vermutlich vor mindestens 100.000 Jahren durch eine evolutionäre Weiterentwicklung des Gehirns, des Brustkorbs und des Vokaltrakts. Timothy Garton Ash erklärt: „Eine hoch entwickelte Fähigkeit zur Kommunikation unter Verwendung von Sprache und abstraktem Denken unterscheidet den Menschen von seinen nächsten Verwandten, den Schimpansen und Bonobos.“ Der britische Tierfilmer und Naturforscher David Attenborough antwortete auf die Frage, was seiner Ansicht nach das erstaunlichste Geschöpf auf Erden sein: „Das einzige Geschöpf, bei dem mir vor Staunen so der Mund offen stehen bleibt, dass ich mich fast nicht losreißen kann, ist ein neun Monate altes menschliches Baby: Wie schnell es wächst. Wie schnell es lernt. Wie schnell es Nerven entwickelt. Es ist von allen Geschöpfen das komplexeste und außergewöhnlichste. Nichts lässt sich mit ihm vergleichen.“ Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.
Die Sprache ist ein prägendes Merkmal des Menschlichen
Eines der Dinge, die es wie kein anderes Tier lernt, ist die Sprache. Nach dem Entwicklungspsychologen Robin Dunbar kann ein durchschnittliches Kind mit drei Jahren etwa tausend Wörter gebrauche, mit sechs sind es etwa 13.000 und mit achtzehn circa 60.000. Robin Dunbar konkretisiert: „Das heißt, es hat seit seinem ersten Geburtstag im Durchschnitt zehn neue Wörter pro Tag gelernt; also alle 90 Minuten der im wachen Zustand verbrachten Zeit ein neues Wort.“
Die Sprache ist nicht nur eines von vielen menschlichen Merkmalen, sie ist ein prägendes Merkmal des Menschlichen. Der Historiker Tony Judt sagte: „Solange ich kommunizieren kann, lebe ich noch. Wenn ich nicht mehr kommunizieren kann, bin ich nicht mehr am Leben.“ Die menschliche Kommunikation ist nie allein auf die Sprache beschränkt. Körperkontakt, Handbewegungen und Gesichtsausdruck spielten bestimmt schon eine wichtige Rolle, bevor die Menschen das Sprechen lernten.
Nur der Mensch beherrscht die Schrift
Außerdem nutzen die Menschen schon seit Urzeiten nicht nur ihren Körper, um zu kommunizieren. Die ältesten bekannten Höhlenmalereien sind vor etwa 40.000 Jahren entstanden. Es gibt Hinweise auf Musikinstrumente, die vermutlich genauso alt sind, und auf Schmuck, der noch älter ist. Heute leben die Menschen in einem digitalen Zeitalter, das sowohl durch die Beschleunigung als auch durch die Konvergenz zweier früher getrennter Arten gekennzeichnet ist: der Kommunikation zwischen zwei Personen und der zwischen einer Person und vielen Personen.
Die Kommunikation zwischen einer Person und vielen Personen hat eine lange Vorgeschichte, die mit der Erfindung der Schrift beginnt. Ein großer Sprung nach vorn war für dieses Medium die Erfindung des Buchdrucks in den Vierzigerjahren des 15. Jahrhunderts durch Johannes Gutenberg. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts breitete sich der Buchdruck über ganz Europa aus. Die Ausbreitung von Radio und Fernsehen war ein weiterer großer Sprung in der Kommunikation von einer Person mit vielen. Und schließlich hat die Erfindung des Internets den größten Fortschritt in der menschlichen Kommunikation seit Johannes Gutenberg eingeleitet. Quelle: „Redefreiheit“ von Timothy Garton Ash
Von Hans Klumbies