Die Frage nach dem Lebenssinn ist uralt
„Glaubst du, das Leben verstanden zu haben?“ Da ist sie wieder, die Frage, die nach dem Banalen und dem Wichtigen fragt. Denn wenn man annimmt, das Leben verstanden zu haben, sollte man auch in der Lage sein, eine Antwort auf die Sinnfrage geben zu können – ganz egal wie diese ausfällt. Maren Urner weiß: „Die Frage nach einem möglichen Lebenssinn ist wohl so alt wie die Menschheit und philosophischer Natur. Eine Überprüfung der Frage „Ist das Leben sinnvoll?“ lässt sich kaum anhand von Daten durchführen.“ Anders aber die Frage nach einem sinnvollen oder bedeutsamen Leben. Dabei geht es um die Dinge, die Menschen am Sterbebett – insofern sie die Gelegenheit dazu haben – bereuen oder schätzen. Dr. Maren Urner ist Professorin für Medienpsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln.
Die meisten Menschen wollen von Bedeutung sein
Dabei handelt es sich um die Dinge, die sie rückblickend auf ihre Lebenszeit als wertvoll beziehungsweise als wertlos betrachten. Vielleicht auch die eine oder andere Offenbarung gegenüber den Nahestehenden oder sich selbst. Im Gegensatz zur übergeordneten Frage nach dem Sinn kann man die Frage nach dem, was ein sinnvolles Leben ausmacht, anhand von Daten untersuchen. Genau das haben die beiden Sozialpsychologen Vlad Costin und Vivian Vignoles in einer aktuellen Studie getan.
Maren Urner kennt ihr wichtigstes Ergebnis: „Nach dem Sinn im Leben befragt, war der wichtigste Aspekt für die meisten Menschen das Gefühl, von Bedeutung zu sein.“ Was bedeutet das? „Mattering“ also „von Bedeutung sein“ meint die Erfahrung, die einen besonderen Wert und Geltung für einen Menschen hat. Sie sind das Gegenteil von flüchtigen und beiläufigen Erfahrungen und Momenten, die häufig den Alltag bestimmen. Bedeutung bekommt ein Mensch dann, wenn er das Gefühl hat, dass sein Verhalten einen Unterschied macht und das Leben es wert ist, gelebt zu werden.
Eine „persönliche Krise“ ist eine fundamentale Seinsfrage
Die wohl wichtigste Komponente des psychologischen Konstrukts von „Mattering“: Es bezieht sich auf das Gefühl von Bedeutung zu sein. Erste Studienergebnisse zeigen, dass man sich besonders bedeutungsvoll fühlt, wenn man über die Belanglosigkeiten dieser Welt und die Exklusivität der Eigeninteressen hinauswächst. Maren Urner fügt hinzu: „Also dann, wenn wir unsere häufig vielfältigen Rollen im sozialen und gesellschaftlichen Geflecht, in dem wir leben, anerkennen und wertschätzen.“
Eine „persönliche Krise“ ist mehr als ein Spagat zwischen Spaß und Selbstkasteiung, zwischen Dauerereichbarkeit und digitalem Detox, zwischen Freiheit und Freizeitstress. Sie ist eine fundamentale Seinsfrage. Maren Urner stellt fest: „Als Individuen und Gesellschaften entwickeln wir also Lebenspläne, Institutionen und Umgebungen für uns selbst und andere, die uns vom Glücklichsein abhalten.“ Man kann diesem Teufelskreis, der einen persönlich und gesellschaftlich einkesselt, nur entkommen, indem man die Ebene dazwischen betrachtet. Dabei handelt es sich um das Spannungsfeld zwischen Glauben und Wissen. Quelle: „Raus aus der ewigen Dauerkrise“ von Maren Urner
Von Hans Klumbies