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Der Hass ist elementares Gefühl

Wenn dem Hass eine Liebe vorausgeht, die sich verraten fühlt, dann muss man bei der Analyse des Hasses tiefer ansetzen. Und die Frage, was das Befriedigende, womöglich sogar Lustvolle am Hass sein kann, blendet man ebenfalls aus. Konrad Paul Liessmann weiß: „Eine rasche moralische Verurteilung verkennt, dass es sich beim Hass um ein elementares Gefühl handelt, das in all seiner Destruktivität auch produktive Energien freizusetzen weiß.“ Zur Anatomie dieses verstörenden Gefühls trägt die klassische Definition, die Baruch Spinoza in seiner „Ethik“ gegeben hat, einiges Erhellendes bei. Baruch Spinoza schreibt: „Es geschieht in der Natur nichts, was ihr als Fehler angerechnet werden könnte. Denn die Natur ist immer dieselbe, und ihre Kraft und ihr Vermögen zu wirken ist überall gleich.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor emeritus für Philosophie an der Universität Wien, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist.

Affekte kennen keine Moral

Baruch Spinoza fährt fort: „Es folgen daher die Affekte des Hasses, des Zorns, Neids, an sich betrachtet, aus derselben Notwendigkeit und Kraft der Natur wie alles andere.“ Dieser Gedanke ist wichtig. Es gibt keine an sich guten oder schlechten Gefühle. Affekte kennen keine Moral. Man unterwirft sie immer erst im Nachhinein einer Moral oder die Moral nimmt sie in ihren Dienst. Baruch Spinoza definiert Liebe und Hass wie folgt: „Liebe ist nichts anderes als Lust, verbunden mit der Idee einer äußeren Ursache, und Hass nichts anderes als Unlust, verbunden mit der Idee einer äußeren Ursache.“

Wer Lust empfindet und sich dabei vorstellen muss, dass nicht er selbst die Quelle dieser Lust ist, sondern diese einem anderen verdankt, wird diesen anderen begehren. Denn nur so kann man die Lust erhalten, steigern oder wiederholen. Das nennen wir Liebe. Und umgekehrt gilt das Gleiche. Konrad Pau Liessmann erläutert: „Wer annimmt, dass es irgendjemanden gibt, den man für sein Unglück verantwortlich machen kann, wird diesen hassen.“

Der Hassende behält sein Objekt stets im Visier

Es wäre auch ein Unding, dem Urheber des eigenen Elends mit Zuneigung zu begegnen. Das Resultat davon ist, dass der Liebende notwendig bestrebt ist, den geliebten Gegenstand gegenwärtig zu haben und zu erhalten. Und dass dagegen der Hassende bestrebt ist, den verhassten Gegenstand zu entfernen und zu zerstören. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Der Hass richtet sich immer aktiv gegen jemanden oder etwas. Während es zum Beispiel der Ekel erlaubt, sich einfach indigniert abzuwenden.“

Während die Angst zu einer Fluchtreaktion führen kann, behält der Hassende sein Objekt stets im Visier. Er kann davon nicht ablassen, anders als Zorn oder Wut verraucht der Hass nicht. Dennoch muss man ihn unter Umständen künstlich am Leben halten, zum Beispiel durch ritualisierte Erinnerungen. Friedrich Nietzsche wusste das: „Der Hass [muss] gelernt und genährt werden, wenn Einer ein tüchtiger Hasser werden will: sonst wird auch der Keim dazu allmählich absterben.“ Quelle: „Der Hass“ von Konrad Paul Liessmann in Philosophicum Lech, Band 25, „Der Hass“

Von Hans Klumbies

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