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Menschen wollen nicht vergessen werden

Menschen hinterlassen Spuren, indem sie Kinder in die Welt setzen, Häuser bauen, Gärten anlegen oder Stiftungen gründen. Manchmal schreiben sie auch Bücher. Andreas Salcher weiß: „Die Bibliothek, die Antiquitäten, die Sammlung von Reiseandenken, die Fotoalben oder Privatarchive gewinnen für uns an Bedeutung, weil sie unsere Erlebnisse und Erfahrungen für die Nachwelt erhalten.“ Durch das ehrenamtliche Engagement in Institutionen und Vereinen wird man Teil von Ideen, die über das eigene Leben hinausreichen. Unbewusst geht man davon aus, dass all diese Projekte im Grunde nie abgeschlossen sind. Keine Sammlung ist jemals vollständig, kein Verein erlischt mit dem Tod eines Gründungsmitglieds, kein Garten verdorrt mit dem Hinscheiden des Gärtners. Spenden und Stiftungen halten den Namen eines Menschen lebendig. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

Die Generativität ist das menschliche Überlebensprojekt schlechthin

Andreas Salcher erläutert: „Bestimmte Projekte, an denen wir mitwirken, überschreiten unsere Lebenszeit, und es besteht die Hoffnung, dass sie von anderen fortgesetzt werden könnten.“ An dieser Sehnsucht hat sich seit dem Bau der großen Kathedralen nichts geändert. Die Generativität, die sich um Kultur und Sorge für die nächste Generation bemüht, ist das menschliche Überlebensprojekt schlechthin. Sie kann die Gedanken an einen Menschen über den Tod hinaus lebendig erhalten.

Die Generativität kann die Gedanken an einen Menschen über den Tod hinaus lebendig halten. Besonders für Menschen, die keine Kinder haben und nicht an die Auferstehung, ewige Seligkeit oder Reinkarnation glauben, ist die kulturelle Generativität eine starke Motivation, sich dadurch eine symbolische Verlängerung der eigenen Existenz zu schaffen. Der Wunsch „Meine Ekelkinder sollen es einmal besser haben“ ist kulturübergreifend tief im Menschen verankert. Gerade wenn man reich an Lebenserfahrung und Wissen ist, liegt in der Generativität die große Chance zur Selbstentfaltung und zum Lebenssinn.

Erik H. Erikson zählt zu den einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts

Der Schöpfer des Begriffs Generativität zählt zu den einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts. Vor allem sein Acht-Stufen-Modell der psychosozialen Entwicklung von der Bindungsfähigkeit des Kleinkindes bis zur Weisheit im reifen Alter hat bis heute Gültigkeit. Erik H. Erikson lebenslange Beschäftigung mit der Entwicklung der Ich-Identität wurzelt wohl in seiner eigenen spannungsreichen Lebensgeschichte. Schlussendlich wurde er von keiner geringeren als Anna Freud zum Psychoanalytiker ausgebildet.

Die sozialen Umbrüche der Sechzigerjahre trugen wesentlich zur Popularisierung seiner These bei, dass jeder Mensch eine Reihe von Entwicklungsphasen durchläuft und in diesen besondere Herausforderungen und potenzielle Krisen bewältigen muss. Vor allem der Begriff „Identitätskrise“ erlebte eine erste Hochkonjunktur. Im aktiven Berufsleben agieren Menschen als großzügige Geber, als auf ihren Vorteil bedachte Nehmer oder als kalkulierende Tauscher. Quelle: „Das ganze Leben in einem Tag“ von Andreas Salcher

Von Hans Klumbies

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