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Das Markenselbst prägt die Begegnung

Die visuelle Bewertung prägt die romantische Begegnung und ist eine ihrer Grundvoraussetzungen. Eva Illouz erläutert: „Aber angesichts der Tatsache, dass die Menschen nicht mit ihrem Selbst, sondern mit ihrem Markenselbst aufeinandertreffen – dem besten Erscheinungsbild, das sie nach außen kehren –, prägt auch die nichtvisuelle Bewertung persönlicher Eigenschaften ihre Begegnung. Insbesondere wenn sie feststellen wollen, ob sie in Fragen des Geschmacks und Lebensstils und in ihren psychischen Dimensionen zueinander passen.“ Bedingt durch den Einfluss von Internet-Dating-Sites nimmt eine solche Bewertung zunehmend die Form eines Vorstellungsgesprächs an, das wie sein visuelles Gegenstück zumeist auf eine binäre Form der Bewertung hinausläuft. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Außerdem ist sie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique de la Sorbonne.

Das Vorstellungsgespräch hat in die Begegnung Einzug gehalten

Die im Unternehmen so verbreitete Form des Vorstellungsgesprächs hat in die romantische Begegnung Einzug gehalten, um geeignete Kandidaten herauszufiltern und zu disqualifizieren. Eva Illouz fügt hinzu: „Eine offene Sexualität, die durch Dating-Technologien in einem offenen Markt organisiert wird, erzeugt das Problem der Bewertung von Menschen.“ Das durch die Technologie ermöglichte Überangebot an potentiellen Partnern führt dazu, dass die Bewertung einen formalen Charakter annimmt, wie bei einem „Vorstellungsgespräch“, das möglichst effizient ungeeignete Kandidaten aussortieren soll.

Eva Illouz erklärt: „Weil die potenziellen Partner entkontextualisiert, das heißt aus ihren sozialen Zusammenhängen herausgelöst sind, werden die Akteure zu rein selektiven und bewertenden Akteuren.“ Diese versuchen, den Wert einer Person in einem abstrakten Kontext zu ermessen, der seinerseits eine abstrakte Warenform hat. In der gleichen Weise, wie Unternehmen abstrakte Räume oder Cafés, Bars und Restaurants standardisierte abstrakte Räume des Konsums sind. Auch nehmen die Fragen oft die Form eines standardisierten Tests an.

Sex und Romantik finden in Konsumumgebungen statt

Für die Partnersuchenden ist das Vorstellungsgespräch äquivalent zu einer Prüfung, die man bestehen oder bei der man durchfallen kann. Eva Illouz stellt fest: „Während die Fragesteller nicht immer eine klare Vorstellung von ihren eigenen Präferenzen haben, wissen sie sehr genau, was sie nicht wollen, und greifen in diesen Situationen leicht zum Verdikt durchgefallen.“ Sie drücken damit ihre persönliche Matrix von Vorlieben und Urteilen durch Nichtwählen aus, die einem Wischer nach links auf Tinder entsprechen.

Sexuelle und romantische Transaktionen setzen nicht nur vorgängige Akte des Konsums voraus und finden in Konsumumgebungen statt. Die Partner werden auch als Konsumenten bewertet. Eva Illouz weiß: „Eine der tiefgreifendsten und soziologisch bedeutendsten Veränderungen bei der Herausbildung von Liebesgefühlen und -beziehungen im 20. Jahrhundert besteht in der untrennbaren Abhängigkeit der romantischen Interaktionen von Konsumvorlieben.“ Quelle: „Warum Liebe endet“ von Eva Illouz

Von Hans Klumbies

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