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Menschen sind tendenziell kooperationsbereit

Dass kooperative Strukturen die Neigung haben, zu kollabieren oder sich sogar in Zyklen destruktiver Gewalt zu verfangen, ist empirisch immer wieder bestätigt worden. Hanno Sauer erläutert: „Die experimentellen Spiele der Verhaltensökonomie zeigen, dass Menschen zwar tendenziell und unter Vorbehalt kooperationsbereit sind, diese Bereitschaft aber von Trittbrettfahrern meist so ausgenutzt wird, dass der durchschnittliche Beitrag des Einzelnen zum Gemeinwohl schnell drastisch abnimmt und schließlich auf annähernd null absinkt.“ Um menschliches Kooperationsverhalten präzise studieren zu können, muss es zunächst wissenschaftlich operationalisiert werden. Im „Öffentliche-Güter-Spiel“ werden Kollektivhandlungsprobleme als Entscheidungssituation modelliert, in der eine kleine Anzahl von vier oder fünf Spielern eine bestimmte Anfangsausstattung erhält, die jeder entweder für sich behalten oder an den gemeinsamen Topf spenden kann. Hanno Sauer ist Associate Professor of Philosophy und lehrt Ethik an der Universität Utrecht in den Niederlanden.

Trittbrettfahren ist die dominante Strategie

Nach jeder Runde wird der gemeinsam erzielte Betrag multipliziert – meist verdoppelt – und zu gleichen Teilen an alle Teilnehmer, unabhängig vom jeweils eigenen Betrag, ausgezahlt. Hanno Sauer weiß: „Man sieht sofort, dass Trittbrettfahren, auch Defektion genannt, die dominante Strategie ist. Individuell profitiert jeder von den Beiträgen der anderen und kann überdies seinen in jeder Runde nicht an den Topf gespendeten Anteil selbst einstreichen.“ Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn mehrere Runden gespielt werden.

Wenn klar ist, dass zehn Runden gespielt werden sollen, ist auch klar, dass das eigene Verhalten in der zehnten und letzten Runde keine Konsequenzen für das Ergebnis der elften Runde haben kann – weil es diese nicht gibt. Hanno Sauer vermutet: „In der letzten Runde ist deshalb zu erwarten, dass sich die Teilnehmer unkooperativ verhalten – was de facto die neunte Runde zur letzten Runde macht, sodass auch hier Nicht-Kooperation zu erwarten ist.“

Der Mensch ist kein Homo oeconomicus

Damit fällt die ganze Kette in sich zusammen, und Nicht-Kooperation wird bereits in der ersten Runde unwiderstehlich. Dieses theoretische Resultat hat sich empirisch bestätigt. Hanno Sauer kennt das Ergebnis: „Obwohl viele Teilnehmer in den ersten Runden des „Öffentliche-Güter-Spiels“ kooperationsbereit sind, fällt dieser Zustand schnell in sich zusammen, nachdem die ersten Spieler begonnen haben, vom Beitrag anderer zu profitieren, ohne selbst ihren Beitrag zu leisten.“

Nach wenigen Runden konvergieren die Zahlungen an den gemeinsamen Topf gegen null. Auch am neuen Menschenbild ändert ein solches Verhalten nichts. Hanno Sauer stellt fest: „Dass Kollektivhandlungsprobleme nur dann entstehen, wenn man annimmt, der Mensch sei ein auf die ideologischen Prägungen der Wirtschaftswissenschaften eingeschworener Homo oeconomicus, ist ein gern geglaubtes Märchen, das längst widerlegt ist.“ Kooperation ist fragil und gehört deshalb wie Porzellan, Glas und die eigene Reputation auf Benjamin Franklins Liste von Dingen, die leicht zu zerbrechen aber nur schwer zu flicken sind. Quelle: „Moral“ von Hanno Sauer

Von Hans Klumbies

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