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Menschen können ihr Verhalten ändern

Alle diese Perspektiven, die biologische, die lebensgeschichtliche, die psychoanalytische, die soziologische und manche andere, versuchen, psychische Phänomene so zu deuten, als gäbe es die Freiheit des Menschen nicht. Manfred Lütz erklärt: „Nicht der freie Mensch, sondern die Moleküle, das Lebensschicksal, die frühe Kindheit, die Gesellschaft sind „schuld“. Solche Sichtweisen sind auch ganz in Ordnung, denn genau das erwartet man zu Recht von wissenschaftlichen Einsichten: dass sie Ursachen ermitteln, die das menschliche Verhalten bestimmen und voraussagbar machen.“ Wenn sie jedoch behaupten würden, damit alles über den Menschen zu sagen, wären sie nicht mehr seriös. Denn ein solcher Anspruch auf Totaldeutung wäre nicht Wissenschaft, sondern Ideologie. Wissenschaft kann die Freiheit des Menschen daher nicht ausschließen, aber sie kann sie auch nicht erfassen, denn dann wäre die Freiheit keine Freiheit mehr. Dr. med. Dipl. theol. Manfred Lütz ist Psychiater, Psychotherapeut, Kabarettist und Theologe.

Freiheit ist der Grund der Würde jedes Menschen

Freies Verhalten kann man definitionsgemäß nicht vorherbestimmen, sonst wäre es ja nicht frei. Manfred Lütz fügt hinzu: „In weiten Bereichen unseres Lebens ist unser Verhalten allerdings nicht wirklich frei.“ Menschen haben eine Menge Gewohnheiten, die sie von ihren Eltern, aus der Gesellschaft oder durch bestimmte Einflüsse im Laufe des Lebens übernommen haben. Für diese Verhaltensweisen entscheiden sie sich nicht in voller Freiheit jedes Mal neu, sondern sie sind in gewisser Weise zu Automatismen geworden.

Das macht Menschen für sich selbst und für andere berechenbar. Ursache und Wirkung solchen Verhaltens ist der wissenschaftlichen Forschung zugänglich. Manfred Lütz fügt hinzu: „Doch wir können diese Automatismen jederzeit außer Kraft setzen. Wir können uns absichtlich anders verhalten. Und genau das nennt man Freiheit.“ Diese Freiheit, die nach Überzeugung der Aufklärung der Grund der Würde jedes Menschen ist, ist ebenfalls eine Perspektive, unter der man psychische Phänomene sehen kann.

Sucht ist eine Erkrankung der Wahlfreiheit

Und zwar ebenso ausnahmslos alle Phänomene. Doch auch die Freiheit ist stets eine mehr oder weniger angemessene Sicht der Dinge. Bei einem Mann, der seine Frau schlägt, wird man an Freiheit und Verantwortung appellieren. Bei einer schicksalhaft einbrechenden Depression ist das in der Regel keine gute Idee. Sucht ist Unfreiheit. Aber nicht totale Unfreiheit. Sucht betrachtet man heute als Erkrankung der Wahlfreiheit. Der Süchtige hat keine Wahl. Er muss trinken.

Manfred Lütz erklärt: „Die Therapie versucht nun, dem Patienten wieder Wahlfreiheit zu ermöglichen. Doch um überhaupt Therapie mit Aussicht auf Erfolg machen zu können, muss man beim Patienten wenigstens einen Funken Freiheit annehmen.“ Denn sonst könnte sich der Patient ja gar nicht zur Therapie entscheiden und vor allem nicht dazu, dann mithilfe der Therapie sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Da war eine allzu ideologisch dargebotene Suchttheorie mitunter misslich, sie Sucht als lebenslang unveränderbare Störung vorstellte. Quelle: „Neue Irre!“ von Manfred Lütz

Von Hans Klumbies

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