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Begegnungen können sogar das Leben retten

Man kann nicht über die entscheidende Rolle von Begegnungen in seinem Leben sprechen, ohne an solche zu erinnern, die einem buchstäblich das Leben retten. Charles Pépin ergänzt: „Eine Begegnung kann uns das Leben auch unter weniger außergewöhnlichen Umständen, ohne heroische Tat retten. Das kann ein Arzt sein, der unsere Krankheit rechtzeitig diagnostiziert, eine Therapeutin, die als „Verbündete“ ein erlösende Wirkung hat, oder eine Person aus unserem näheren Umfeld.“ Der französische Neurologe und Psychiater Boris Cyrulnik nennt sie „Resilienzhelfer“, die durch Fürsorge, Achtsamkeit und Liebe, die sie einem Menschen entgegenbringen, ihm helfen kann, wieder auf die Beine zu kommen. Boris Cyrulnik hat das Konzept der „Resilienz“ bei der amerikanischen Entwicklungspsychologin Emmy Werner entdeck. Charles Pépin ist Schriftsteller und unterrichtet Philosophie. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Die Resilienz gibt immer noch Rätsel auf

Boris Cyrulnik konnte die verschiedenen Beobachtungen aus der eigenen praktischen Arbeit, die alle in dieselbe Richtung wiesen, wie folgt zusammenfassen. Charles Pépin erläutert: „Manche Menschen, die eine großen Zusammenbruch erlebt haben und durch diesen Schock hätten niedergeschmettert, gebrochen sein müssen, sind fähig, ohne dass man genau versteht warum, unverhoffte Ressourcen in sich zu mobilisieren und sich normal weiterzuentwickeln.“ Auch wenn das Trauma kolossal, der Bruch irreparabel erscheint, schaffen sie es, wieder ins Leben zurückzufinden, ein neues Leben zu beginnen.

Obwohl die Resilienz immer noch Rätsel aufgibt, konnte man inzwischen zahlreiche begünstigende Faktoren identifizieren. Dazu zählt Charles Pépin ein gutes „frühes Gerüst“ der resilienten Person. Nämlich die Fürsorge und die Liebe, die sie in den ersten Monaten ihres Lebens, vor dem Trauma, bekommen hat. Zudem die Entwicklung von Schutzmechanismen – Träumerei, Leugnung, Abspaltung und so weiter – die sich allerdings später möglicherweise als problematisch erweisen, aber die Härte des Schocks abfedern.

„Resilienzhelfer“ akzeptieren den Anderen bedingungslos

Zu den begünstigenden Faktoren zählt auch die Fähigkeit, eine Erzählung des Traumas für sich zu finden, die aushaltbar ist. Zudem kann man Tätigkeiten entdecken, die es erlauben, sich über Umwege der Vergangenheit zu stellen oder deren Brutalität zu sublimieren – Schreiben, Musik, Theater et cetera – sowie vor allem die Begegnung mit einem „Resilienzhelfer“. Charles Pépin weiß: „Diese Begegnung sehen sowohl Emmy Werner als auch Boris Cyrulnik als den wichtigsten Faktor an.

Charles Pépin betont: „Nicht nur, dass er oftmals die anderen Faktoren bedingt, es kann sogar sein, dass keines der anderen Faktoren gegeben ist und dann die Begegnung mit einem solchen Helfer allein genügt, um einen Menschen vor dem Zusammenbruch zu bewahren, der ihn ereilt hätte.“ A priori kann sich jeder als Helfer erweisen: ein Verwandter, eine Erzieherin, ein Psychologe, eine Lehrerin, ein Patenonkel oder eine Patentante. Diese „Resilienzhelfer“ urteilen nicht über den Anderen, sondern zeigen ihm gegenüber Wohlwollen, jene Form der Liebe, die aus der bedingungslosen Akzeptanz des Anderen entspringt. Quelle: „Kleine Philosophie der Begegnung“ von Charles Pépin

Von Hans Klumbies

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