Jens Weidner beschreibt die Sozialisation eines Optimisten
Jens Weidner weiß: „In der Logik der Optimisten ist ihre Zufriedenheit berechtigt, denn Optimismus heißt, dass man an eine Verbesserung der Situation glaubt und etwas dafür tut.“ Die Sozialisation zum Optimismus – und nicht nur zu ihm – wird von Klaus Hurrelmann, einem der bedeutendsten deutschen Sozialisationsforscher, als Prozess definiert. Dieser beschreibt die Entstehung der Persönlichkeit, in wechselseitiger Abhängigkeit von und in kontinuierlicher Auseinandersetzung mit der sozialen und dinglich materiellen Umwelt einerseits und der biophysischen Struktur des Organismus andererseits. Das ist in der Wissenschaft die meistverwendete Definition der Entwicklung einer Persönlichkeit. All diese Punkte prägen die Menschen in ihrem optimistischen, aber auch pessimistischen Denken. In diesem Sozialisationsprozess entscheiden oft auch Kleinigkeiten, ob man gut durch sein Leben kommt oder auch nicht. Jens Weidner ist Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie.
Fehlentscheidungen können zum Abdriften vom Lebensweg führen
Der amerikanische Kriminalsoziloge David Matza spricht vom „Drift“, wenn einzelne Fehlentscheidungen zum Abdriften vom eigentlichen Lebensweg führen. Dazu bieten sich heutzutage im Beruflichen und Privaten viele unschönen Gelegenheiten. Jens Weidner nennt Beispiele: „Der schlüpfrige Kommentar, der in ein Sexismusverfahren mündet. Die frisierte Spesenabrechnung, die zu einem Betrugsverfahren führt. Der alkoholbedingte Seitensprung, der eine ungewollte Schwangerschaft nach sich zieht.“
Es ist leicht, von der Spur abzukommen, und es verlangt viel Selbstkontrolle, um nicht abzudriften. Sonst gehen das schönste Leben und der stabilste Optimismus schnell zu Bruch. Vielleicht auch nur, weil sich ein beruflicher Konflikt zum Dauerbrenner entwickelt hat. Arbeitsbeziehungen mit Menschen pflegen, die einem wohlgesinnt sind, das kann jeder. Tragfähige Beziehungen auf der Grundlage von Dissonanzen aufzubauen, das zählt zur Kunst des Optimismus. Nicht Sympathie, sondern Respekt wird zum Klebstoff, der die Kontrahenten zusammenhält. Dazu zählt natürlich auch der Wunsch, sich keinen Erzfeind zu schaffen.
Urvertrauen verhindert Härte gegen sich selbst und andere
Der Grundstein für eine optimistisch zupackende Haltung wird sehr früh gelegt, denn Anlage und Potential sind von Geburt an vorhanden. Es liegt an einem selbst und seiner Umwelt, ob man daraus etwas Positives macht. Elterliche Sätze vom Kaliber „Aus dir wird nie etwas, du bist eine Riesenenttäuschung!“ sind dagegen eine Einladung zum Pessimismus. An solchen Zuschreibungen verzweifeln viele. Denn wer von klein auf kritisiert wird, dem mangelt es schneller an Selbstbewusstsein, dem fehlt Urvertrauen. Dies führt zu Härte gegen sich selbst und gegen andere.
Jens Weidner fügt hinzu: „Viele, die in ihrer Erziehung erniedrigt wurden, werden zudem überempfindlich, denn die kleinste Kritik an ihrem heutigen Verhalten wird als existenzieller Angriff gewertet, eben weil er an die frühkindlichen Kränkungen erinnert. Das Echo kann entsprechend unangemessen und deftig ausfallen.“ Sozialisationstheoretisch kann sowohl die übertrieben kritische Erziehung als auch die Erziehung zur obsessiven Selbstliebe in ein unerfreuliches, extremes berufliches Verhalten münden. Der Sozialisationsschlüssel zum nachhaltigen Erfolg liegt vielmehr im begründeten, realistischen Lob. Quelle: „Optimismus“ von Jens Weidner
Von Hans Klumbies