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Alle reden vom Sinn des Lebens

Sinn ist im Trend. Das fordern die Angestellten und das bieten die Arbeitgeber seit kurzem in rauen Mengen an: Sinn. Ingo Hamm stellt fest: „Alle reden davon. Alles stellen plötzlich die Sinnfrage. Bei der Arbeit. Früher haben wir dem Boss die Gehaltsfrage gestellt, heute stellen wir uns und ihm die Sinnfrage.“ Sinn ist in. Aber nicht die Sinnfrage entscheidet Schlachten, Karrieren und das Schicksal der Welt, sondern gewissenhafte Arbeit. Arbeit, die man gerne macht und deswegen gut erledigt. Nicht der Sinn entscheidet, sondern die Tat. Nicht das, was sinnvoll ist, verändert die Welt – sonst gäbe es keine Klimakrise – sondern das, was getan wird. Daher die Klimakrise; es wird zu wenig getan, obwohl das allen Sinn der Welt machen würde. Dr. Ingo Hamm ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt.

Mit dem Sinn wird viel Schindluder getrieben

Der Sinn ist ein Gedanke, und Gedanken sind nicht nur frei, sondern wohlfeil. Es macht absolut Sinn, das Klima zu retten, und was machen viele selbsternannte Klima-Kümmerer? Sie denken über die nächste Fernreise nach und laden ihr Smartphone unreflektiert mit Atomstrom. Oder sie genießen Veggie-Food auf nicht nachhaltiger Palmöl-Basis. Das ist der Unsinn vom Sinn. So wird Schindluder mit dem Sinn getrieben. Ingo Hamm möchte sogar behaupten, dass es aus Sicht der Psychologie überhaupt keinen Sinn im herkömmlichen Sinn gibt.

Ingo Hamm erklärt: „Nur weil wir über etwas wie den Sinn nachdenken können, heißt das nicht, dass der Sinn unser Handeln bestimmt.“ Wie jeder weiß, der schon einmal eine Diät machen wollte. Sinn ist ein erbärmlicher Ersatz für Taten. Es ist ganz erstaunlich, welche Firmen neuerdings von sich behaupten, einem noblen Zweck zu folgen. Sogar ein Waffenhersteller überraschte Ingo Hamm neulich damit. SAP bietet zum Beispiel Meditation im Büro an. Bereits mehr als 7.000 Mitarbeiter haben bereits Achtsamkeits-Trainings absolviert.

Arbeitgeber gewähren ihren Angestellten viele Vergünstigungen

Im Mittelpunkt der Meditationspraxis steht die Selbstreflexion. Cisco Systems gewährt Home Office – ohne Limit! Die Deutsche Telekom fördert die Gesundheit ihrer Mitarbeiter mit mehr als 5.000 Deskbikes. Das sind sozusagen Heimtrainer fürs Büro. Warum dann noch Sinn? Das fragt man sich dann doch, wenn man die Vergünstigungen betrachtet, die viele Arbeitgeber ihren Angestellten zur Verfügung stellen. Wer braucht dann noch einen Sinn bei der Arbeit, wenn man derart bespaßt, gepampert und verwöhnt wird?

Es gibt mögliche Antworten auf diese Frage: Die Unternehmer wollen es so, und die Mitarbeiter wollen es ebenfalls. Der plötzliche Hang zum Sinn kann zum einen bedingt sein durch den Fachkräftemangel. Deshalb buhlen verzweifelte Unternehmen mit buchstäblich sämtlichen legalen Mitteln um Nachwuchs. Die Ratio dahinter ist allerdings bedenklich. Sie könnte lauten: „Mit sachlichen Argumenten gewinnen wir keine hochqualifizierten Bewerber mehr.“ Quelle: „Sinnlos glücklich“ von Ingo Hamm

Von Hans Klumbies

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