Helm Stierlin untersucht die Beziehung zwischen Mutter und Kind
Die Mutter hat, im Guten oder im Bösen, einen schicksalhaften Einfluss auf das Kind. In der Beziehung zu der Mutter entscheidet sich wesentlich, welche Lebenswerkzeuge dem erwachsenen Menschen zur Verfügung stehen werden. Helm Stierlin schreibt: „Es entscheidet sich, wie weit und in welcher Richtung sich seine Potentiale entwickeln. Und zu den Potentialen gehört das, was wir das Organ seiner Autonomie nennen können: das starke, versöhnungsfähige Ich.“ Seiner Meinung nach stellt die Mutter-Kind-Beziehung den extremen Sonderfall einer menschlichen Beziehung dar.
Das Kind ist völlig abhängig von der Mutter
Für Helm Stierlin offenbart die Mutter-Kind-Beziehung, wie jede andere menschliche Beziehung auch, eine Dialektik der gegenseitigen Anerkennung und Bedürfnisse. Als erste Beziehungspolarität nennt Helm Stierlin die des Augenblicks und den der Dauer. Die beschriebene Konstellation von Instinktoffenheit, Lernfähigkeit und Abhängigkeit des Kindes verleiht der Mutter gegenüber dem Augenblick ein besonderes Gewicht.
In der zweiten Beziehungspolarität, der von Gleichheit und Verschiedenheit, ist die Verschiedenheit akzentuiert. Helm Stierlin erklärt: „Die Mutter ist erwachsen, bereits im Besitze eines inneren Bildes, dementsprechend sie sich ihr Kind vorstellt oder wünscht; sie ist zugleich Übermittlerin ihrer Kultur und nährende Matrix.“ Das Kind dagegen ist ohne Geschichte, undifferenziert, ohne vorgeformtes Bild der Mutter und daher maximal beeinflussbar und völlig abhängig ihr.
Kurzbiographie: Helm Stierlin
Helm Stierlin, geboren 1926, studierte Philosophie und Medizin in Heidelberg, Freiburg und Zürich. Von 1957 bis 1974 arbeitete er als Psychiater und Psychotherapeut hauptsächlich in den USA. Von 1974 bis 1991 leitete Helm Stierlin die Abteilung für psychoanalytische Grundlagenforschung an der Universität Heidelberg. Zu seinen wichtigen Veröffentlichungen zählen unter anderem: „Das Tun des einen ist das Tun des anderen“, Adolf Hitler. Familienperspektiven“ sowie „Eltern und Kinder im Prozess der Ablösung“.
Von Hans Klumbies