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Geschwister lieben und hassen sich gleichzeitig

Geschwister lernen voneinander, auch wenn sie sich dauernd streiten. Das haben Entwicklungspsychologen und Familienforscher in neuen Studien herausgefunden. Heftige Emotionen gegenüber Schwestern und Brüdern sind nach Ansicht von Geschwisterforschern normal. Dazu zählt die Liebe ebenso wie der Hass. Der Münchner Entwicklungspsychologe Hartmut Kasten erläutert: „Es ist typisch für die Beziehung zwischen Geschwistern, dass negative und positive Gefühle gleichzeitig stark vorhanden sind.“

Die U-Kurve der Geschwisterbeziehung

Für die Geschwisterforschung gibt es keinen Zweifel mehr, dass sich Brüder und Schwestern mindestens so stark gegenseitig prägen wie sie durch die Eltern geprägt werden. Der Einfluss ist deswegen so groß, weil die Geschwister so viel Zeit miteinander verbringen. Hartmut Kasten erklärt: „Die Beziehung zu den Geschwistern ist die längste Beziehung unseres Lebens. Die sogenannte U-Kurve einer Geschwisterbeziehung sieht wie folgt aus: Große Nähe in der Kindheit, dann Loslösung in der Pubertät; am größten ist die Distanz normalerweise, wenn jeder mit Beruf, Partner und eigenen Kindern beschäftigt ist. Im Alter wird die Beziehung dann oft wieder sehr eng. Die Geschwisterbeziehung bietet Entwicklungsmöglichkeiten, die andere nahe Beziehungen nicht haben.

Laurie Kramer stellt die These auf, dass Kinder mehr soziale und emotionale Kompetenzen benötigen, um mit den Geschwistern gut auszukommen als mit den Eltern. Sie behauptet: „Um miteinander zurechtzukommen, müssen Brüder und Schwestern früh lernen, klar zu kommunizieren, zu verhandeln und Konflikte zu beenden.“ Die Basis für all das sei die Fähigkeit, sich in eine andere Person hineinzufühlen und Verständnis für seine Emotionen und Gedanken aufzubringen.

Die Einzigartigkeit der Geschwisterbeziehung

Dieses Einfühlungsvermögen entwickeln Kinder mit älteren Geschwistern früher als Erstgeborene oder Einzelkinder. Es wird vermutet, dass Geschwisterkinder in der Familie mehr als doppelt so oft über Gefühle und Gedanken sprechen wie Einzelkinder. Hartmut Kasten betont: „Das Besondere an der Geschwisterbeziehung ist das Schicksalhafte. Geschwister sind unter Umständen gezwungen, sich mit einem Menschen auseinanderzusetzen, mit dem sie vielleicht sonst nichts zu tun haben wollen würden.“ Geschwister könne man sich nicht aussuchen, und man könne die Beziehung zu einem Bruder oder einer Schwester auch nicht beenden wie etwa eine Freundschaft.

Die größte Nähe besteht zwischen zwei Schwestern

Hartmut Kasten skizziert die Rolle der Eltern und sagt: „Eltern können zwar einiges tun, um das Verhältnis ihrer Kinder positiv zu beeinflussen. Doch viel hängt auch von Faktoren ab, die Mutter und Vater nicht ändern können.“ Etwa vom Altersunterschied oder vom Geschlecht. Es gibt eine Faustregel: Je geringer der Altersunterschied zwischen Geschwistern, desto größer ist die Nähe, aber auch das Potential für Streitigkeiten.

Laut Hartmut Karsten besteht die größte Nähe bei Geschwistern oft zwischen zwei Schwestern.  Hartmut Karsten hat festgestellt, dass am harmonischsten in einer Geschwisterbeziehung die Kombination großer Bruder und kleine Schwester, mit einem Altersunterschied von drei bis vier Jahren, funktioniert. Zank zwischen Geschwistern wird es trotzdem immer geben. Der berühmte Literat Kurt Tucholsky hat diese Tatsache in seiner eigenen treffenden Art formuliert: „Indianer sind entweder auf dem Kriegspfad oder rauchen die Friedenspfeife. Geschwister können beides.“

Von Hans Klumbies

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