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Einsamkeit ist ein subjektives Phänomen

Es gibt Menschen, die praktisch gesprochen ihre ganze Zeit allein verbringen, ohne nennenswert von Einsamkeit geplagt zu werden, sowie andere, die sich besonders einsam fühlen, auch wenn sie den Großteil der Zeit von Familie und Freunden umgeben sind. Lars Svendsen ergänzt: „Im Durchschnitt verbringt eine Person fast 80 Prozent ihrer wachen Zeit in Gesellschaft anderer Menschen. Das gilt auch für die Einsamen.“ Betrachtet man die Gruppe derer, die in verschiedenen Untersuchungen angeben, sich „oft“ oder „sehr oft“ einsam zu fühlen, ist ein durchgängiges Merkmal, dass sie nicht mehr Zeit alleine verbringen als die Gruppe von Menschen, die angibt, sich nicht einsam zu fühlen. Lars Frederik Händler Svendsen ist Philosoph und Professor für Philosophie an der Universität Bergen. Seine Werke wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.

Allein zu sein und einsam zu sein sind auch empirisch unabhängig voneinander

In über 400 Aufsätzen über die Erfahrung von Einsamkeit fand ein Forscher keinerlei Korrelation zwischen dem Grad der physischen Isolation und der Intensität des Erlebens von Einsamkeit. Lars Svendsen fügt hinzu: „Die tatsächliche Anzahl von Menschen, die eine Person um sich hat, korreliert in geringem Ausmaß mit dem Einsamkeitsgefühl der Person, aber es gibt gewissen Hinweise darauf, dass die stärksten Einsamkeitsgefühle in Situationen auftreten, in denen der Einsame von anderen Menschen umgeben ist.

Allein zu sein und einsam zu sein sind trotzdem sowohl logisch als auch empirisch unabhängig voneinander. Lars Svendsen stellt fest: „In Reportagen über Einsamkeit, bevorzugt zu Festen wie Ostern und Weihnachten gesendet, werden gern Menschen hervorgehoben, die allein und einsam sind. Das trägt dazu bei, den Eindruck zu erschaffen, dass sie einsam sind, weil sie allein sind.“ Das kann berechtigt wirken. Nicht zuletzt bei Älteren, die einen Ehepartner verloren haben, scheint es klar, dass ihre Einsamkeit in hohem Maße damit erklärt werden muss, dass sie nunmehr allein sind.

Einsamkeit wird als Mangel an zufriedenstellenden Beziehungen zu anderen erlebt

Indessen wäre es übereilt, den Schluss zu ziehen, dass Menschen, die allein und einsam sind, vor allem einsam sind, weil sie allein sind. Ebenso gut kann das Entgegengesetzte der Fall sein. Lars Svendsen erklärt: „Was Einsamkeit bedingt, ist nicht die Anzahl der Menschen, mit denen man sich umgibt, sondern ob der soziale Umgang eines Individuums sein Bedürfnis nach Bindung zufriedenstellt, ob der soziale Umgang, den es hat, als sinnvoll erlebt wird.“ Einsamkeit ist ein subjektives Phänomen.

Es wird von einem Individuum als ein Mangel an zufriedenstellenden Beziehungen zu anderen erlebt, entweder aufgrund von zu wenigen Beziehungen oder weil die existierenden Beziehungen nicht die gewünschte Form von Nähe aufweisen. Lars Svendsen erläutert: „Um das kognitive Verhältnis zwischen sozialer Isolation und Einsamkeit zu erklären, wurde das sogenannte kognitive Diskrepanzmodell der Einsamkeit entwickelt.“ Dieser Theorie zufolge entwickeln Individuen einen inneren Standard oder eine Erwartung, an dem beziehungsweise an der sie ihre Beziehungen zu anderen messen. Quelle: „Philosophie der Einsamkeit“ von Lars Svendsen

Von Hans Klumbies

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