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Ein Narzisst bewertet alles aus der Ich-Perspektive

Reinhard Haller nennt den Narzissmus den Vater der Kränkung. Die gängigste Definition des Narzissmus stammt von Alexander Lowen, dem Begründer der bioenergetischen Analyse. In seinem Werk „Narzissmus. Die Verleugnung des wahren Selbst“ schreibt er: „Als Narzissmus bezeichnen wir sowohl einen psychischen als auch einen kulturellen Zustand. Auf der individuellen Ebene ist er eine Persönlichkeitsstörung, die gekennzeichnet ist durch eine übertriebene Pflege des eigenen Image auf Kosten des Selbst. … Auf der kulturellen Ebene kann man den Narzissmus als einen Verlust menschlicher Werte erkennen. Dieser geht einher mit einem Fehlen des Interesses an der Umwelt, an der Lebensqualität, an den Mitmenschen.“ Die wichtigsten psychologischen Elemente, die das Wesen des krankhaften Narzissmus ausmachen, sind die fünf „E“: Egozentrik, Eigensucht, Empathiemangel, Empfindlichkeit und die Entwertung anderer. Der Psychiater und Psychotherapeut Reinhard Haller arbeitet vornehmlich als Therapeut, Sachverständiger und Vortragender.

Andere Menschen haben für einen Narzissten keinen Wert

Der echte Narzisst empfindet und bewertet alles aus der Ich-Perspektive. Nur seine Überlegungen sind interessant und seine Beurteilungen richtig. Was er fühlt und empfindet, ist einzigartig, was er denkt ist genial, was er tut, ist außergewöhnlich. Reinhard Haller fügt hinzu: „Die Meinung der anderen interessiert ihn nicht, allenfalls empfindet er sie als Bedrohung. Andere Menschen haben für ihn keinen Wert, es sei denn, sie dienen seinen Interessen und seiner Beweihräucherung.“

Ein Narzisst kann sich nur für die eigene Person begeistern, er ist im Fühlen und Denken ausschließlich auf sich selbst fixiert. Er ist ein Ichling im übelsten Sinn des Wortes, ein Egomaniker schlechthin. Der Theologe Karl Rahner beschreibt den Narzissten in zutreffender Weise als „Ofen, der nur sich selbst wärmt“. Mit diesem Vergleich spricht er den Umgang des narzisstischen Menschen mit seinen Emotionen an. Dazu zählen Einfühlungsvermögen, Sympathie, Freundschaft oder Liebe.

Ein Narzisst ist süchtig nach Bewunderung

Diese Gefühle richten sich bei einem Narzissten nicht an die Mitmenschen und werden mit niemanden geteilt, sondern sind ausschließlich auf sich selbst zentriert. Für die Umwelt wäre es gefährlich, die überhitzten Eigenenergiespender auch nur leise zu berühren. Das würde im wahrsten Sinne des Wortes geradezu reflexartig eine heftige Kränkungsreaktion auslösen. Dennoch ist der Narzisst nicht, wie man es meist sagt, in sich selbst verliebt. Denn er kann überhaupt nicht lieben.

Wirkliche Emotionen wie Freude, Trauer, Mitleid und besonders Liebe sind ihm fremd. Deshalb fehlt ihm auch die Fähigkeit, sich in andere hineinzufühlen oder in die Haut seiner Mitmenschen zu schlüpfen. Vielmehr ist er gierig durch die Zuwendung durch andere, süchtig nach Anerkennung und Bewunderung, unersättlich im Entgegennehmen von Komplimenten. In Wirklichkeit ist der Narzisst nicht eigenverliebt, sondern „eigensüchtig“. Wie der Süchtige kann er nie genug kriegen von seiner Droge: der Hochachtung und Verehrung durch seine Mitmenschen. Quelle: „Die Macht der Kränkung“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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