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Der Ehrgeiz ist eine große Seelenpein

Ehrgeiz, dieses stolze Gebilde oder trockene Dürsten nach Auszeichnung, ist für Robert Burton eine große Seelenpein, die sich aus Neid, Stolz und Begehrlichkeit zusammensetzt. Jemand hat einmal gesagt, dabei handelt es sich um eine ritterliche Verrücktheit und schmackhaftes Gift. Ambrosius redet von einem seelischen Krebsleiden und einer verborgenen Pest und Bernhard von einer schleichenden Vergiftung. Ehrgeiz gilt ihm als Vater des Neids und Mutter der Heuchelei, als Mottenfraß des Heiligen und Ursache des Wahnsinns, der alles quält und in Unruhe versetzt, dessen er habhaft werden kann. Seneca nennt ihn eine wetterwendische, eitle, ängstliche und übereifrige Gemütsverfassung. Die Schwermut oder Depression hat etliche Namen, verschiedenste Erscheinungsformen, und zahlreich sind ihre Ursachen. Robert Burton (1577 – 1960) war Experte in Betrübnis und, schlimmer noch, deren Bedeutungslosigkeit.

Robert Burton schreibt den Weltbestseller „Anatomie der Melancholie“

„Anatomie der Melancholie“ ist der Titel eines zeitlosen Weltbestsellers von Robert Burton aus dem Jahr 1621. Die Depression war für den Autor die am meisten verbreitete Krankheit der Welt: „Überall und jederzeit in unserer Umgebung haben wir damit zu rechnen, auch wenn die Depression meistens nicht leicht als solche erkennbar ist.“ Über zwanzig Jahre hatte Robert Burton als Gelehrter am Christ Church College Oxford unbedeutende Dramen verfasst und sich in ebensolcher Lyrik geübt, ehe er der eigenen Schwermut einen Welterfolg entlockte.

Seitdem wurde sein Werk in den folgenden vierhundert Jahren weder an Wortgewalt überboten, noch hat es an Triftigkeit verloren. Diejenigen, die wie Sisyphus einen Stein des Ehrgeizes ruhelos vor sich herrollen, schinden sich unentwegt ab, ohne jemals aus den Schwierigkeiten herauszukommen. Sie sind ständig im Zweifel, furchtsam, misstrauisch, peinlich darauf bedacht, niemanden in Tat oder Wort zu verletzen. Vielmehr tun sie vertraulich, selbst wenn sie jemanden hintergehen.

Den Ehrgeizigen rinnt die Gegenwart durch ihre Finger

Das Umarmen, Hutziehen, Katzbuckeln, Beklatschen, Schmeicheln, über Abwesende herziehen und Besuche machen will kein Ende nehmen. Robert Burton stellt fest: „Vor allen Türen warten diese leutseligen Gesellen und heucheln Aufrichtigkeit und Demut. Und wenn das nichts nutzt, dann gelangen die nach Anerkennung Dürstenden und vom Ehrgeiz Besessenen eben auf krummen Wegen ans Ziel ihrer Wünsche.“ Aus ihren Löchern winden sie sich zu allen Ämtern und Ehrentiteln empor, wenn man sie nur lässt.

Dem einen schmeicheln, den anderen bestechen sie und lassen nichts unversucht, um sich des Wohlwillens aller zu versichern. Es grenzt ans Wunderbare, wie sich solche Leute selbst noch vor Geringeren erniedrigen können, wenn sie ein Anliegen haben. Untertänig sind sie und die Freundlichkeit in Person, höflich und allgemein beliebt, haben für jeden, der ihnen über den Weg läuft, ein falsches Lächeln und übernehmen sich noch mit Einladungen und Festlichkeiten. Die Gegenwart rinnt ihnen durch die Finger, und es gibt keine größere Pest als ihren Ehrgeiz. Quelle: „Handbuch der Menschenkenntnis“ von Georg Brunold (Hg.)

Von Hans Klumbies

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