Wahrsager waren schon in der Antike beliebt
Ohne Fingerspitzengefühl, das zur Entwicklung einer guten Geschichte gehört, hätten Wahrsagerinnen, Mystiker und Medien sicherlich nicht so lange überdauernd und in vielen antiken Gesellschaften wichtige Positionen eingenommen. Belege für die Popularität von Wahrsagerinnen datieren vielen Tausend Jahre zurück bis zu den antiken Kulturen Ägyptens, Chinas, Mesopotamiens und Assyriens. Kit Yates stellt fest: „Mit Anbruch der Aufklärung im Europa des 18. Jahrhunderts schwand die Beliebtheit der Wahrsagerzunft, und viele ihrer Zeremonien fielen der wachsenden Skepsis zum Opfer, mit der diese unwissenschaftlichen Praktiken zunehmend betrachtet wurden.“ Mit der Ausbreitung europäischer Kolonialreiche verbreitete sich diese Skepsis rund um die Welt. Heute belächeln vielen diese Schamanen und ihre Vorhersagepraktiken als unseriösen Unsinn. Kit Yates lehrt an der Fakultät für mathematische Wissenschaften und is Co-Direktor des Zentrums für mathematische Biologie der University of Bath.
Wahrsagerinnen umgarnen ihre Kunden mit Allgemeinplätzen
Kit Yates erklärt: „Aber auch heute noch hegen viele „Gläubige“ den nicht klar umrissenen Wunsch, an extrasensorische Fähigkeiten zu glauben, also an ein nicht genau fassbares Bewusstsein für Informationen, die durch andere als unsere gewöhnlichen Sinne empfangen werden.“ Wahrsagerinnen umgarnen ihre Kunden mit Allgemeinplätzen, die nach dem amerikanischen Geschäftsmann, Schausteller und Manipulator Phineas Taylor Barnum benannt und als „Barnum-Aussagen“ bekannt sind.
Die dienen Wahrsagern häufig als Eröffnungszügen und sollen ihnen helfen, mehr über ihren Klienten zu erfahren, ohne dabei etwas zu riskieren. Phineas Taylor Barnum, dessen Vorführungen voller aufwendiger Tricks und Täuschungen steckten, soll behauptet haben, sein Zirkus biete „für jeden etwas“. Kit Yates fügt hinzu: „Dies fasst die Lehre einer Barnum-Aussage aufs Beste zusammen – eine allgemeinen Persönlichkeitscharakteristik, die auf praktisch jeden passt.“ Der Bestätigungsfehler besorgt den Rest der Arbeit für die Wahrsagerin, denn das Gehirn wählt den oder die Aspekte der Aussage, die am besten zu einem passen.
Wahrsager wissen um die Eitelkeit ihrer Klienten
Oft benutzen Hellseherinnen auch den Kunstgriff mit der Schmeichelei, die auf einer unbewussten Neigung basiert und als „Pollyanna-Prinzip“ bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um die menschliche Tendenz, positives Feedback eher zu akzeptieren und zu erinnern als negatives. Kit Yates weiß: „Dieses Phänomen ist nach Eleanor H. Porters 1913 erschienenen Kinderbuch „Pollyanna“ benannt, in dem die gleichnamige Protagonistin in jeder Situation, in die sie gerät, etwas Positives findet.“
Auf bestimmte Art formuliert kann ein Adressieren der Eitelkeit vom Wahrsager als subtiles Werkzeug eingesetzt werden, um vom Klienten Zustimmung zu erlangen. Aussagen wie „Als intelligenter Mensch verstehen Sie, worüber ich hier spreche“ verlangen nach Bestätigung. Kit Yates ergänzt: „Widerspricht man, so ist das ein stillschweigendes Eingeständnis der eigenen Dummheit.“ Selbst das freundliche „Macht das Sinn?“ lässt kaum Raum für Widerspruch. Quelle: „Wie man vorhersieht, womit keiner rechnet“ von Kit Yates
Von Hans Klumbies