Dem Blöden fehlt der Sinn für das Urteil
Thomas von Aquin beispielsweise beschäftigte sich der Frage, ob Dummheit das Gegenstück der Weisheit sei und leitete den Begriff von der Stumpfheit ab, einer Gefühllosigkeit des Herzens, Stumpfheit der Sinne und Stumpfheit im Urteil. Heidi Kastner ergänzt: „Diese unterschied er von der Blödheit, die den völligen Mangel an geistiger Aufnahmefähigkeit bezeichnet und wie die Geisteskrankheit einen natürlichen Mangel darstellt.“ Laut Thomas von Aquin fehlt dem Blöden der Sinn für das Urteil; der Tor hat ihn zwar, aber abgestumpft. Robert Musil stellte fast sechzig Jahre vor Daniel Goleman fest, dass die ältere Psychologie zwischen Empfindung, Wille, Gefühl und Vorstellungsvermögen oder Intelligenz unterschieden habe und dass es für ihn klar gewesen sei, dass Dummheit ein geringer Grad von Intelligenz sei. Heidi Kastner ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. Seit 2005 ist sie Chefärztin der forensischen Abteilung der Landesnervenklink Linz.
Die Erziehung soll die Neugier und die Lust am Entdecken fördern
Heidi Kastner vermutet: „Vielleicht hat nicht nur die Forschung die emotionalen Aspekte von Menschen zu lange als irrelevant abgetan. Vielleicht hat eine auf überwiegend wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtete Gesellschaft die Dummheit begangen, sich ihre Subjekte ausschließlich im Sinne und im Interesse ihrer Funktionsansprüche modellieren zu wollen und hat damit Persönlichkeitsentwicklungen begünstigt, die das Wundmal der Dummheit tragen.“
Karl Landauer, ein deutscher Psychiater und Psychoanalytiker“ untersuchte mehrfach die Auswirkungen der Erziehung auf die Entwicklung von Kindern. Dabei kam er zu dem Schluss, dass sowohl die zu rigide als auch die zu wenig zugewandte, Neugier und Entdecken fördernde Erziehung das lustvolle Erobern der Welt verhindern und dass sich dort, wo Kinder die Fühler nach Neuem ausstrecken, mit der Zeit Narben bilden, wenn sie zu oft auf Hemmungen stoßen.
Emotionale Intelligenz verstärkt die Selbstmotivation
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno schrieben dazu: „Solche Narben bilden Deformationen. Sie können Charaktere machen, hart und tüchtig, sie können dumm machen, im Sinne der Ausfallserscheinung der Blindheit.“ Heidi Kastner fügt hinzu: „Daniel Goleman sieht die wesentlichen Voraussetzungen der von ihm so benannten „emotionalen Intelligenz“ in Selbstbeherrschung, Eifer und Beharrlichkeit sich selbst zu motivieren.“ Das sind allesamt Fähigkeiten, die man Kindern vermitteln sollte, um das intellektuelle Potenzial, das ihnen die genetische Lotterie vermittelt hat, besser nutzen zu können.
Dahinter steckt ein drängendes moralisches Gebot. Heidi Kastner erläutert: „In unserer Zeit sei der Zusammenhang von Gefühl, Charakter und moralischen Instinkten besonders wichtig.“ So weit, so nachvollziehbar. Allerdings mutet der nicht sehr diskrete Geruch von Zweckorientiertheit und Utilitarismus etwas verdächtig an, so, als ob hier alter Wein in neue Schläuche gegossen worden wäre. Konsequenterweise hatte Daniel Goleman den Karriereerfolg im Blick, als er die Bedeutung der emotionalen Intelligenz betonte. Quelle: „Dummheit“ von Heidi Kastner
Von Hans Klumbies