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Bei Traurigkeit ist man erledigt

Die Wissenschaft weiß auch heute noch nicht, wie die menschlichen Gefühle genau funktionieren. Weil man ihre Ursachen nicht erforscht, kann man ihre Wirkung nicht verstehen. Isabella Guanzini stellt fest: „So leben wir in der Verworrenheit eines Lebens, das wir dem Zufall überlassen.“ Viele Menschen folgen inadäquaten Ideen und werden so allzu leicht melancholisch und traurig.“ Baruch de Spinoza sagt dazu etwas sehr einfaches. Nämlich, dass Traurigkeit nicht intelligent macht: „Bei Traurigkeit ist man erledigt. Darum brauchen Machthaber traurige Untertanen. Angst hat noch nie zu Kultur, Intelligenz oder Lebendigkeit beigetragen.“ Die Menschen sollten also jenen Ereignissen mehr Raum geben, die zusammenführen statt zu zersetzen. Es gilt, fröhliche Übereinstimmung zu fördern. Isabella Guanzini ist Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Graz.

Depressive Menschen lassen sich leicht beherrschen

Zudem sollte man Vorkehrungen treffen, dass man nicht in die Sackgassen zwangsläufiger Traurigkeit gerät. Denn diese reproduzieren sich in einem tödlichen Kreislauf selbst. Die Klassifikation der Affekte hat für Baruch de Spinoza zutiefst moralische und politische Implikationen. Denn die traurigen Gefühle und die Ordnung eines Regimes bilden eine Einheit. Die Erzeugung von Depression ist ein entscheidender Faktor bei der Ausübung von Macht.

Kein Ding ist neutral. Jede Begegnung kann unsere Liebe zum Leben steigern. So wie jede Begegnung sie auch zerstören kann. Und einen Menschen immer mehr von dem trennt, was ihn am Leben erhält. Gilles Deleuze kritisiert: „Wir schwatzen über Seele und Geist und wir wissen nicht, was ein Körper kann.“ Die Freude steigert das menschliche Tätigkeitsvermögen. Denn sie entsteht durch eine gute Begegnung mit etwas, das sich mit dem eigenen Körper und der dazu gehörenden Innenwelt zusammenführen lässt.

Jeder Mensch findet Freude

Es geschieht ein verbindendes Ereignis – es bilden sich gemeinsame Begriffe und Ideen –, und man fühlt sich klüger. Isabella Guanzini fasst zusammen: „Unsere Erfahrungen im Leben bestehen aus guten, offenherzigen Begegnungen sowie schlechten, polarisierenden und zersetzenden.“ Diese „Mikrophysik“ der Affekte ist Baruch de Spinoza zufolge notwendig, um ein weises Leben zu führen. Anders gesagt, ein Leben, in dem die Traurigkeit von der Freude besiegt wird und die einenden Kräfte stärker sind als die spaltenden.

Isabella Guanzini fügt hinzu: „Sonst stehen die Leidenschaften zwischen uns, und wir sind ihren ständigen Veränderungen unterworfen.“ Wenn man von den eigenen Gefühlen abgeschnitten ist, werden sie von äußeren Dingen und Begegnungen bestimmt. Das heißt, dass man keinerlei Kontrolle über sie hat. Jeder Mensch findet Freude, indem er seine Beziehungsfähigkeit einbringt und Früchte tragen lässt. Und dabei eine immer besser abgestimmte Fähigkeit zur Begegnung und Aufnahme entwickelt. Quelle: „Zärtlichkeit“ von Isabella Guanzini

Von Hans Klumbies

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