Alle Menschen haben Illusionen
Alle Menschen haben ihre Illusionen. Mehr als die Hälfte von ihnen glaubt, überdurchschnittlich intelligent zu sein. Fast alle halten sich für gute Menschen und sind zufrieden mit ihrem Leben. Und natürlich glauben die meisten im Allgemeinen, mit ihren Überzeugungen im Recht zu sein. Judith Glück schreibt: „Ein besonders interessanter Bereich sind die sogenannten Kontrollillusionen. Viele Menschen überschätzen den Einfluss, den sie selbst auf die Ereignisse in ihrem Leben haben.“ Es ist der Lebensfreude ja auch zuträglich, wenn man glaubt, dass man im Großen und Ganzen die Kontrolle über sein Leben hat. Tatsächlich belegen viele Studien, dass dieses Gefühl, das eigene Leben selbst steuern zu können, für das Wohlbefinden von Menschen sehr wichtig ist. Judith Glück ist seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Es gibt typische Denkmuster bei Depressionen
Menschen, die oft genug erlebt haben, dass es keinen Sinn hat zu versuchen, eine belastende Situation zu verändern, versuchen dies auch dann nicht, wenn es durchaus möglich wäre. Solche Denkmuster sind typisch für Menschen mit Depressionen. Sie sehen einfach keinen Weg, ihr Leben so zu verändern, dass es ihnen lebenswerter erschiene. Nicht alle Menschen reagieren jedoch auf Erfahrungen der Hilflosigkeit mit Depressionen. Und nicht alle derartigen Erfahrungen sind depressionsauslösend.
Denn Menschen denken ja darüber nach, wie es zu einer Situation gekommen ist. Und die Erklärung für das Entstehen von Depressionen scheint eher in den unterschiedlichen Interpretationen der Betroffenen zu liegen als in der Situation selbst. Eine fundamental unkontrollierbare Situation ist etwa die, von jemandem, den man liebt, verlassen zu werden. Diese Situation wird wohl in jedem Menschen Trauer, Wut und auch Angst hervorrufen. Zu einer längerfristigen Depression führt sie jedoch vor allem dann, wenn der betroffene Mensch denkt, dass die Ursache für das Problem in ihm selbst liegt und unveränderlich ist.
Hilflosigkeit macht Menschen schwach und passiv
Auch hier geht es also letztlich um eine Form von Kontrollierbarkeit. Also das grundlegende Vertrauen darauf, der Liebe eines anderen Menschen würdig und zur Aufrechterhaltung einer Beziehung in der Lage zu sein. Judith Glück erläutert: „Menschen fühlen sich umso wohler, je mehr sie das Gefühl haben, selbst etwas tun zu können, um ihre Ziele zu erreichen.“ Das Gefühl, hilflos und auf andere angewiesen zu sein, macht einen Menschen schwach und passiv.
Warum ist die Kontrolle so wichtig für einen Menschen? Schon als kleines Kind ist man bestrebt, zu verstehen, wie die Welt um einen herum funktioniert. Es ist sozusagen die Hauptaufgabe kleiner Kinder, die Gesetzmäßigkeiten der Welt zu verstehen. So können sie ihr eigenes Verhalten daran orientieren. Auch die eigenen Vorstellungen über Beziehungen zu anderen Menschen werden durch das Verhalten der persönlichen frühen Bezugspersonen geprägt. Das hat die Bindungsforschung gezeigt. Quelle: „Weisheit“ von Judith Glück
Von Hans Klumbies