Ronald David Laing durchschaut das geteilte Selbst

Das bekannteste Buch des schottischen Psychiaters Ronald David Laing, das er 1955 schrieb, heißt „Das geteilte Selbst. Eine existentielle Studie über geistige Gesundheit und Wahnsinn“. Bevor er seine Thesen und Beobachtungen über psychotische Menschen veröffentlichte, herrschte in der Psychiatrie die Ansicht, dass es sich bei dem Verstand eines gestörten Menschen um nichts als einen Brei aus sinnleeren Phantasien oder Obsessionen handle. Ronald David Laing gelang es nachzuweisen, dass Psychosen für den daran Leidenden durchaus einen Sinn ergeben. Er folgerte daraus, ein Psychiater müsse lernen, das Denken der Patienten zu verstehen.
Schizoide Menschen leben mit sich selbst oder der Welt im Zwiespalt
Obwohl die Erforschung schizoider Zustände inzwischen erhebliche Fortschritte gemacht hat, ist es in der Wissenschaftswelt unbestritten, dass Ronald David Laings Beschreibungen, wie es sich anfühlt, mit einem geteilten Selbst zu leben, verrückt zu werden oder einen Zusammenbruch zu erleiden, mit das Beste ist, was je darüber veröffentlicht wurde.
Laut Ronald David Laing sind Schizoide hoch sensibel für das, was in ihrem Inneren vorgeht und sehr um den Schutz ihres Selbst bemüht, das sie unter den Schichten falscher Persönlichkeiten verbergen. Die Patienten wollen nicht untersucht werden, sie benötigen einen Zuhörer.
Der schottische Psychiater definierte Schizoide wie folgt: „Es sind Menschen, die entweder mit sich selbst oder mit der Welt im Zwiespalt leben.“ Seine Unterscheidung von Schizoiden und Schizophrenen lautet: „Während der Schizoide zwar beeinträchtigt, aber gesund ist, hat die Persönlichkeitsspaltung vom Schizophrenen bereits die Grenze zur Psychose überschritten.“
Hysteriker unterdrücken sich selbst
Zu den typischen Ängsten schizoider Menschen gehören: Die Interaktion mit anderen ist angstbesetzt. Das drohende Gefühl, die Welt könne jederzeit in ihr Denken eindringen und ihre Identität zerstören. Das Gefühl, sie könnten zu Stein werden und dadurch ihre Persönlichkeit verlieren. Ronald David Laing stellte fest, dass Hysteriker alles tun, um sich selbst zu vergessen oder zu unterdrücken, während Schizoide ganz auf ihr Selbst konzentrieren.
Schizoide führen ein so nach innen gewandtes, vergeistigtes Leben, dass sich ihr wahres Selbst hr der Umwelt repräsentieren kann. Sie verbergen ihr wahres Selbst vor der Welt und haben große Angst davor entdeckt zu werden. Jede Interaktion mit anderen Menschen wird von ihnen penibel kontrolliert.
Obwohl für den Schizoiden alles sehr persönlich ist, fühlt der dennoch eine große Leere in seinem Innersten. Seine einzige Beziehung ist auf sich selbst gerichtet, doch das Selbst ist ein verwirrendes Chaos, wodurch große Furcht und Niedergeschlagenheit entsteht. An die Stelle von Beziehungen treten bei schizoiden Menschen Bindungen an Dinge, Gedanken, Erinnerungen oder Phantasien. Schizoide fühlen sich aber auch frei und allmächtig und entfernen sich dadurch immer weiter weg von der objektiven Wahrheit.
Kurzbiographie: Ronald David Laing
Ronald David Laing wurde 1927 in Glasgow geboren. In seiner Geburtsstadt studierte er Medizin. Er arbeitete als Psychiater in der britischen Armee und arbeitete ab 1953 am Gartnavel Psychiatric Hospital in Glasgow. 1965 gründete er Kingsley Hall, eine psychiatrische Gemeinschaft, in der die Patienten als gleichwertige Menschen behandelt wurden. Zu seinen weiteren Büchern gehören die Bestseller „Phänomenologie der Erfahrung“ (1967), „Wahnsinn und Familie“ (1964) und „Wisdom, Madness and Folly“ (1985). Ronald David Laing starb 1989 in St. Tropez an einem Herzinfarkt.
Von Hans Klumbies

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