Spaß und Genuss stehen heute unter einem Generalverdacht

Die Mechan ist.“ Ulrich Greiner war zehn Jahre lang der Feuilletonchef der ZEIT. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Außerdem ist er Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

Die Askese ist in utilitaristisch verkürzter Form zurückgekehrt

Der Gedanke der Keuschheit hat sich in jene Selbstkasteiung verwandelt, die sich in der Magersucht und im Fitness-Wahn mackt und Spaß macht unter einen Generalverdacht gestellt. Für manche Menschen scheint nichts verwerflicher zu sein als das sorglose Leben. Denn die Sucht lauert überall. Daneben hat die Idee, sich einer großen Sache völlig unterzuordnen, dass daneben kein Raum für Sinnlichkeit und Muße bleibt, in bestimmten Gesellschaftsbereichen fanatische Anhänger gefunden.

Zu diesen Besessenen zählt Ulrich Greiner Politiker, Börsenmakler und Wirtschaftsbosse, die kein Privatleben mehr kennen und mindestens 70 Stunden in der Woche arbeiten. Diese Spezies lebt eine moderne Variante des Versprechens der Enthaltsamkeit. Ulrich Greiner erklärt: „Der Gott des Geldes verlangt von seinen Dienern zuweilen mehr als der Gott der Christen.“ Obwohl der neue Puritanismus alles, was Leistung begünstigt und fördert, verherrlicht und jede Form der Selbstertüchtigung preist, geißelt er zugleich die Spuren körperlicher Arbeit.

Die Hygiene löscht alle Hinweise auf das Animalische aus

Ulrich Kolnai stellt den Schmutz in die direkte Nachbarschaft von Kot, Fett, und Schweiß. Der Schmutz tritt seiner Meinung nach an Orten auf, wo er nicht hingehört und deshalb störend und entstellend wirkt. Ulrich Kolnai erläutert: „Diese Orte aber sind Körperoberflächen oder Gebrauchsgegenstände, die den Körper eng berühren sollen. Und da zeigt sich doch eine unverkennbare intentionale Beziehung zu dem Leben, seiner Kumulierung und seinem Niedergang. Durch manuelle Tätigkeit werden die Hände, durch Tragen wird die Leibwäsche schmutzig.“

Schmutz ist für Ulrich Kolnai zum Teil einfach das Vorhandensein von Spuren des Lebens, die hr dazu, alle Hinweise auf das Animalische auszulöschen. Ein Blick in die Fernsehwerbung genügt, um das allzeit anerkannte Programm der Vernichtung von Peinlichkeiten zu erkennen. Ein Beispiel ist die kalorienreduzierte Nahrung, die Genuss ohne Reue verheißt und Reue ohne Genuss liefert.

Von Hans Klumbies

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