Der Geiz resultiert aus der Verschlossenheit des Herzens
In der analen Phase der psychosexuellen Entwicklung ist es eine der Lernaufgaben, ein Gespür für Aufnehmen und Abgeben, für Zusammenhalten und Loslassen zu entwickeln. Rotraud A. Perner erklärt: „Bei kleinen Kindern kann man in dieser Zeitspanne – so um das Ende des zweiten Lebensjahrs – erleben, wie sie sich mit all ihrer verfügbaren Kraft wehren, ihre Haare, Finger- und Zehennägel, vor allem aber ihre Ausscheidungsprodukte herzugeben.“ Eltern, die das n wie für einen Erwachsenen. Rotraud A. Perner ist Juristin, Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und absolvierte postgraduale Studien in Soziologie und evangelischer Theologie. Sie lehrt an der Donau-Universität Krems.
Die menschliche Lebendigkeit ist unberechenbar
Werden einem Kind seine „lieben Sachen“ von den Eltern weggenommen, die es zur Entwicklung seiner Selbstachtung braucht, so kann mit großer Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass sich daraus Sammelleidenschaft, Geiz, möglicherweise auch anderes mehr oder weniger zwanghaftes Verhalten, Begeisterung für law and order und Streben nach starrer Ordnung entwickeln. Die liebe Sache oder ein Schatz kann ein Mensch sein oder etwas anderes, das lebt – oder Materielles, sprich Totes.
Der Geiz wurzelt für Rotraud A. Perner im Zustand der Verschlossenheit des Herzens. Im Zustand der Offenheit des Herzens dagegen spürt ein Mensch, wie es anderen Lebewesen geht. Die menschliche Lebendigkeit ist unberechenbar. Bei denjenigen Individuen, die gerne alles unter Kontrolle haben, löst sie unbewusste Angst aus. Der Psychoanalytiker Fritz Riemann, der von 1902 bis 1979 lebte, bezeichnet diese Grundform der Angst als die vor Chaos – und die Sehnsucht nach Dauer –, und diejenigen, die in diese Richtung tendieren, als eine zwanghafte.
Bei Prinzipienreitern verwandelt sich gesunder Eigenwille zur Despotie
Fritz Riemann schreibt: „In der Vorstellung der Zeitlosigkeit, Ewigkeit und Allgegenwärtigkeit eines Göttlichen hat sich der Mensch dieses Bedürfhr zu existieren droht. Dann greift der Schauder der Vergänglichkeit nach uns, und wir werden uns erschreckend unserer Abhängigkeit bewusst, unserer Zeitlichkeit.“
Rotraud A. Perner möchte zudem die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass dies r wieder vorführt, vertrauen können. Fritz Riemann dagegen weiß: „Nimmt man alles so prinzipiell, wird lebendige Ordnung zu pedantischer Ordentlichkeit, notwendige Konsequenz zu unbelehrbarer Starrheit, vernünftige Ökonomie zu Geiz, gesunder Eigenwille zu trotzigem Eigensinn bis zur Despotie.“
Von Hans Klumbies