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Rache ist keine Krankheit

Manchmal setzen Menschen Krankheiten und Krankheitssymptome unbewusst zur Rache ein. Reinhard Haller erklärt: „Mit den Symptomen psychischer Leiden lässt sich nicht nur Macht ausüben, sondern sie können auch als Rachewerkzeuge eigesetzt werden.“ Dies sieht man etwa bei magersüchtigen Patienten, die instinktiv spüren, wie sehr allein die Essensverweigerung die Angehörigen belastet und wie viel Sorge eine neuerliche Gewichtsabnahme für die liebenden Mitmenschen bringen kann. Ähnliche Abläufe sieht man bei abstinenten Suchtpatienten, die sich an Eltern oder Partnern für Lieblosigkeiten oder Benachteiligungen rächen und diesen für sich selbst als verständliche Vergeltung rechtfertigen. Weil Rache jedoch keine Krankheit ist, können Rachemotive niemals Krankheitsauslöser sein. Prof. Dr. med. Reinhard Haller war als Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe über viele Jahre Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik. Heute führt er eine fachärztliche Praxis in Feldkirch (Österreich).

Besonders gefährlich sind die sogenannten „Kampffanatiker“

Allerdings nehmen Rachemotive manchmal einen pathologischen Charakter an und entwickeln sich zu Symptomen einer schweren psychischen Störung. Reinhard Haller nennt ein Bespiel: „Bei Gewalttaten Wahnkranker lassen sich manchmal Motive finden, die eindeutig aus dem wahnhaften Erleben, Empfinden und Interpretieren des Betroffenen resultieren. Wenn ein solcher Patient unter akustischen Halluzinationen leidet und hinter dem ihn Tag und Nacht belästigenden Lärm die Nachbarn vermutet, kann es sein, dass er sich an diesen auf aggressive Weise rächt.“

Zu den krankhaften Motiven sind laut Reinhard Haller auch Fanatismus und Querulanz zu zählen: „Gerade bei schweren Gewalttaten entwickelt sich Rache oft aus fanatischen Ideen und querulativen Einstellungen.“ Besonders gefährlich sind die sogenannten „Kampffanatiker“, die ihre fixe Überzeugung mit rücksichtslosem und aggressivem Einsatz vertreten und sich an allen rächen, die sich gegen ihre Ideen stellen. Heute sind derart rachebegünstigende Störungen bei politischen Extremisten und Terroristen sowie den sogenannten „Identitären“ zu finden.

Querulanten sind Grenzgänger zwischen Recht und Psychiatrie

Die Rachebedürfnisse die mit den fanatischen Persönlichkeitsstörungen eng verwandten Querulanten resultieren nicht nur aus überwertigen Ideen, sondern aus einem narzisstischen Gerechtigkeitsgefühl. Querulanten, die treffend als „Grenzgänger zwischen Recht und Psychiatrie“ beschrieben werden, sind unfähig zu Toleranz und Selbstreflexion. Reinhard Haller erläutert: „Den Rechts-, Karriere-, Ehe- und Kollektivquerulanten geht es weniger um persönliches Unrecht als ums Prinzip.“

Reinhard Haller weiß: „Das ganze Leben dieser als pedantisch, humorlos und aggressiv beschriebenen Menschen dreht sich um angebliche Ungerechtigkeiten. All jene, die dafür verantwortlich gemacht werden, müssen die Reaktion dieses zahlenmäßig sehr kleinen, aber recht gefährlichen Menschenschlags fürchten: die Rache.“ Die extreme Stärke mancher Rachemotivation ist wohl am besten mit der bemerkenswerten Parallelität zur Sucht zu erklären. Auch dort geht der als angenehm empfundene berauschende Zustand bald in den durch Missbefindlichkeiten geprägten Entzug über. Quelle: „Rache“ von Reinhard Haller

Von Hans Klumbies

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