Vertrauen benötigt Wohlwollen
Martin Hartmann stellt fest: „Wenn wir vertrauen, so die Annahme, setzen wir darauf, dass jemand nicht nur deswegen zu uns freundlich ist, weil er sich vor Sanktionen fürchtet, sondern weil er uns im weitesten Sinne wohlwollend begegnet.“ Eine solche Person wird das Vertrauen auch dann nicht verletzen, wenn sie das straflos tun könnte. Sie tut es nicht, weil sie um die Verletzlichkeit des Gegenübers weiß und diese nicht negativ für sich nutzen will. Damit man wirklich von Vertrauen reden kann, muss also eine Form von Wohlwollen vorhanden sein. Natürlich muss man sofort fragen, was Wohlwollen in diesem Zusammenhang heißen soll. Auch muss betont werden, dass sich Wohlwollen genau wie die Angst vor Sanktionen verflüchtigen kann, es geht also niemals um Garantien. Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.
Für Vertrauen gibt es keine Garantie
Weder Verlässlichkeit noch Vertrauen gewährleisten garantiertes Verhalten. Menschen sind keine Automaten. Es geht nur um die Frage, mit welcher Einstellung man vertraut, ob man also bereit ist zu vertrauen, wenn man glaubt, der andere lässt sich vor allem von seinen eigenen Interessen leiten. Der Hinweis auf das Wohlwollen soll anzeigen, dass es beim Vertrauen um mehr geht als um das Eigeninteresse des anderen. Aber was ist dieses Mehr? Es kann nicht Liebe heißen und nicht Freundschaft.
Aber was dann? Wie wäre es mit Moral? Martin Hartmann erläutert: „Wir vertrauen denen, von denen wir glauben, dass sie elementare moralische Prinzipien verinnerlicht haben. Zu diesen zählt: Füge anderen keinen Schaden zu.“ Ist das Wohlwollen? Irgendwie schon, denn wenn man moralisch ist, ist man es ja auch, weil man der Meinung ist, dass die Mitmenschen den persönlichen Respekt oder Achtung verdienen. Es geht in der Moral um sie, man ist bereit, seine Interessen hintenanzustellen.
Das Internet erleichtert Betrug und Unehrlichkeit
Zumindest für das Vertrauen unter Fremden scheint Martin Hartmann die Moral ein ganz guter Kandidat zu sein für das Wohlwollen, das er hier diskutiert. Im Falle enttäuschten oder gebrochenen Vertrauens ist man ja auch deswegen verletzt, weil der Bruch nicht hätte passieren sollen – und das scheint ein moralisches Sollen zu sein. Man setzt also im Vertrauen auf das Wohlwollen des anderen, was jetzt nur heißen soll, dass man davon ausgeht, dass die andere Person das Vertrauen auch dann nicht enttäuscht, wenn es sich für ihn in irgendeinem Sinne von Rationalität lohnen würde.
Eine bloß eigeninteressierte Person würde das tun, man kennt diese Gefahr vor allem aus Modellen rationaler Wahl, die nur eine einzige Interaktion vorsehen. Martin Hartmann erklärt: „Wenn wir davon ausgehen müssen, dass uns jemand nur ein einziges Mal sieht oder nur ein einziges Mal Handel mit uns treibt, dann kann es riskant sein zu vertrauen, zumindest dann, wenn wir keine Möglichkeit haben, diese Person später wieder aufzuspüren.“ Im Internet ist es beispielsweise immer noch schwer, genau sagen zu können, mit wem man es zu tun hat, und das erleichtert Betrug und Unehrlichkeit. Quelle: „Vertrauen“ von Martin Hartmann
Von Hans Klumbies