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Eine Psychotherapie kann auch schaden

Die Konzentration auf Vergangenes und auf die Defizite des Patienten können bei ungeschickter Handhabung sogar das bewirken, was man „Psychotherapiedefekt“ genannt hat: die Herstellung einer psychischen Störung durch Psychotherapie. Klassisch für die bedenklichen Nebenwirkungen eher defizitorientierter Methoden ist der chronisch unglückliche Gesichtsausdruck von Woody Allen, der sich in seinen Filmen in all die psychoanalytischen Deutungen seiner selbst und anderer verstrickt und offensichtlich aus diesem Gestrüpp keinen Ausweg mehr findet. Manfred Lütz betont: „Der schwarze Humor Woody Allens ist freilich vor allem eine Satire auf die haarsträubenden Popularisierungen der Psychoanalyse.“ Kabarettreife Missverständnisse der Psychoanalyse ist keineswegs selten. Doch entscheidend ist gar nicht unbedingt die verwendete Methode. Dr. med. Dipl. theol. Manfred Lütz ist Psychiater, Psychotherapeut, Kabarettist und Theologe.

Therapeut und Patient sollten eine Probesitzung absolvieren

Wie gut oder schlecht eine psychoanalytische Behandlung wirkt, wie kurz oder wie lang sie dauert, hängt wie bei allen psychotherapeutischen Anwendungen wesentlich von der Person des Therapeuten ab. Es gibt brillante lebensweise Psychoanalytiker, die manche Sackgassen der Psychoanalyse verlassen haben, sich modernen wissenschaftlichen Standards stellen und sehr erfolgreich Therapie machen. Neben dem Therapeuten ist natürlich auch der Patient selbst und die Art seiner psychischen Störung für den möglichen Erfolg dieser speziellen Therapie wichtig.

Manfred Lütz erklärt: „Deshalb sind Probesitzungen erforderlich, damit Therapeut und Patient feststellen können, ob „die Chemie“ stimmt. Leider sind wir längst nicht so weit, genau angeben zu können, bei welchem Patienten und welcher Störung welche Methode und welcher Therapeut wohl am effektivsten sein werden.“ Wenn Menschen in ihrem Leben immer wieder in die gleichen aussichtslosen Sackgassen rennen und wenn sich dafür lebensgeschichtliche Bezüge herstellen lassen, dann kann die Psychoanalyse in der Hand eines modernen Analytikers eine gute Hilfe bieten.

Die Gegenspielerin der Psychotherapie ist die Verhaltenstherapie

So bleibt also die Psychoanalyse eine in einigen Fällen nützliche und in anderen Fällen weniger nützliche psychotherapeutische Methode. Da sie langwierig und kostspielig ist, kann sie ohnehin nicht allen psychisch Kranken zugutekommen. Und für bestimmte psychische Störungen wie Schizophrenie und schwere Depressionen sind sie in ihrer klassischen Form nicht geeignet oder sogar schädlich. Die große Gegenspielerin der Psychoanalyse war und ist die Verhaltenstherapie.

Sie hat nicht das Mysteriös-Ahnungsvolle der Psychoanalyse. Sie ist nüchtern und auf Effizienz getrimmt. Verhaltenstherapeuten reden nicht bloß – oder lassen reden –, sondern sie tun was. Ein Patient macht beispielsweise in Gegenwart seines Therapeuten das, was er schon seit Jahren unter keinen Umständen mehr tut. Manfred Lütz stellt fest: „Im Grund hat ein solcher Patient ja mit der Angst machenden Situation schon lange keine Erfahrung mehr.“ Quelle: „Neue Irre!“ von Manfred Lütz

Von Hans Klumbies

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