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Kinder sind sehr feinfühlig

Kinder sind wesentlich aufmerksamer und feinfühliger, als die meisten Erwachsenen es für möglich halten. Sie können sehr genau spüren, was Mama und Papa von ihnen wünschen, erhoffen und erwarten, wie sie also „sein sollen“. Gerald Hüther weiß: „Und wenn das mit ihren eigenen Bedürfnissen nicht gut in Einklang zu bringen ist kommt es im Gehirn, vor allem im Frontalhirn, wo die eigenen Erwartungen mit den konkreten Wahrnehmungen abgeglichen werden, zu einer gewissen Unruhe.“ „Arousal“ nennen die Neurobiologen diesen Zustand, in dem viele Nervenzellen gleichzeitig zu feuern beginnen und die bisher dort herrschende Ordnung durcheinanderkommt. Und irgendwann finden die Kinder die dafür geeignetste Lösung: Durch die Hemmung derjenigen Netzwerke, von denen die bisher von dem Kind gehegte Erwartung gesteuert wird, es werde so geliebt, wie es ist. Gerald Hüther ist Neurobiologe und Verfasser zahlreicher Sachbücher und Fachpublikationen.

Kinder streben nach Verbundenheit und Autonomie

So lernen diese Kinder immer besser, ihre beiden Grundbedürfnisse, das nach Verbundenheit und das nach Autonomie, wie die Psychologen es nennen, zu unterdrücken, zu verdrängen oder abzuspalten. Schuld ist daran niemand, es hat auch niemand so „gemacht“, es hat sich – als einzige energiesparende Lösung – von ganz allein im Gehirn so herausgebildet. Harald Hüther erklärt: „Weil das Kind die Erwachsenen nicht ändern konnte, hat sich sein Gehirn solange umgebaut, bis ihm deren lieblose Einstellung und deren liebloses Verhalten nicht mehr weh tut.“

Jetzt kann es all das machen, was diejenigen von ihm erwarten, deren Anerkennung es so sehr braucht, und von diesen wichtigen Bezugspersonen all das übernehmen und im eigenen Gehirn verankern, was diese für wichtig halten. Manche schaffen das besser, andere nicht ganz so gut, aber es gibt wohl heutzutage im westlichen, von Leistungsdruck und Wettbewerb geprägten Kulturkreis kaum ein Kind, dem diese schwierige Anpassungsleistung beim Erwachsenwerden erspart geblieben ist.

Lieblosigkeit wird von Generation zu Generation weitergegeben

Harald Hüther stellt fest: „So erzeugen wir durch unsere eigene Lieblosigkeit eine von Generation zu Generation weitergebende Kette von Lieblosigkeit im Umgang mit sich selbst, mit anderen Menschen und nicht zuletzt auch im Umgang mit der lebendigen Natur, deren Teil wir Menschen sind.“ Es ist auch wirklich schwer herauszufinden, was einem fehlt, wenn sich im Inneren nichts mehr meldet, weil die in den tieferen Bereichen des Gehirns lokalisierten Nervenzellverschaltungen, die sich melden könnten, von hemmenden Netzwerken überbaut, gewissermaßen eingewickelt worden sind.

Dort entstehen ja normalerweise die Erregungen, die man dann als innere Bedürfnisse spürt. Das nach Nähe und Geborgenheit beispielsweise, oder die Lust auf eigenes Entdecken und Gestalten, auch der Wunsch, sich um etwas oder um andere zu kümmern, seinen eigenen Körper, seine Sinnlichkeit zu spüren – alles ist dann mehr oder weniger vollständig unterdrückt. Statt diesen vitalen, natürlichen Bedürfnissen zu folgen, richtet man sein Denken, Fühlen und Handeln nun an den Vorstellungen und festen Überzeugungen aus, die man entweder selbst herausgebildet oder von anderen übernommen hat. Quelle: „Lieblosigkeit macht krank“ von Gerald Hüther

Von Hans Klumbies

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