Georg Ernst Stahl stellt eine Affektentheorie auf
Um das Jahr 1700 herum kommt in die Theorie über die Affekte in wörtlichem Sinne Bewegung. Der Naturforscher und Mediziner Georg Ernst Stahl, der von 1660 bis 1734 lebte, gilt als Erfinder des Panpsychismus oder auch des Vitalismus beziehungsweise des Animismus. Er verstand die Seele als Triebfeder, als inneres bewegendes Prinzip. Alle Lebenserscheinungen seien durch unmittelbares Eingreifen der „anima“ bedingt, die Georg Ernst Stahl von der unsterblichen Psyche trennt. Die Seele baue sich den Körper auf und bediene sich des Kreislaufs. Die verschiedenen Dispositionen des Körpers und seiner Säfte könnten oft Anlass verschiedenartiger Bewegungen des Gemüts sein. Die raschen Effekte würden buchstäblich von Bewegungen begleitet und durch Bewegungen des Herzens charakterisiert. So gibt es um die Jahrhundertwende das Stahlsche System der kontinuierlichen Bewegung im Körper und das Leibniz’sche System der Darstellungsbewegungen im Vorstellen von Welt.
Die Furcht wird zum Träger der Identifikation
Für Christian Thomasius, der von 1665 bis 1728 lebte, ist der Mensch ein Affektwesen. Bei seinem Bemühen, die Gemüter der Menschen zu erkennen, spielt das Verstehen affektiver Äußerungen eine zentrale Rolle. In seiner „Einleitung in die Sittenlehre“ aus dem Jahr 1692 entwickelt er seine Lehre von den Hauptaffekten, die alle auf einen Grundaffekt, die Liebe zurückgeführt werden können. Der wohlgeregelte Affekt ist als „vernünftige Liebe“ tugendhaft. Der ungeregelte Affekt, die „unvernünftige Liebe“, gilt als Untugend.
Gotthold Ephraim Lessing, der von 1729 bis 1781 lebte, konzentriert sein Nachdenken über die Affekte auf die Tragödientheorie und die Analyse der erregten Leidenschaften und deren Katharsis. Dabei gelingt Gotthold Ephraim Lessing die Verbindung zwischen dem dramatischen Zusammenhang der Handlung und der affektiven Wirkung. „Phobos“, die Furcht, wird dabei zum Träger der Identifikation – in ihr erlebt der Zuschauer das Schicksal des Helden, als wäre dieser er selbst. Diese selbstbezügliche Furcht wird zur Bedingung des Mitleidens.
Die Erkenntnis umfasst den Verstand und die Sinnlichkeit
Immanuel Kant entwickelt keine Affektenlehre im Sinne der Tradition. Bei den Vermögen des Gemüts unterscheidet Immanuel Kant das Erkenntnisvermögen, das Gefühl der Lust und Unlust sowie das Vermögen des Begehrens. Die Fähigkeit der Erkenntnis umfasst Verstand und Sinnlichkeit. Immanuel Kant bezeichnet die Emotionen als Gefühle. Das Gefühl als Voraussetzung der Affekte kann mit diesen selbst identifiziert werden. Dabei wird dem Gefühl durchaus eine vitale Nützlichkeit zugesprochen.
Das Gefühl steht für das Empfinden von Lust und Unlust. Affekte werden zum Gefühl, Leidenschaften zum Vermögen des Begehrens gezählt. Zwar wird auch im Affekt die Freiheit des Gemüts beschränkt, in der Leidenschaft wird sie jedoch völlig absorbiert. Zur Unterscheidung von Affekt und Leidenschaft führt Immanuel Kant einen zeitlichen Aspekt ein: Affekte äußern sich nur kurz, Leidenschaften sind dagegen eingewurzelt und von Dauer. Immanuel Kant wertet das Gefühl als Grundlage der Affekte insgesamt auf. Quelle: „Handbuch Europäischer Aufklärung“ von Heinz Thoma (Hrsg.)
Von Hans Klumbies