Psychosomatische Erkrankungen kommen aus der Seele
Erwin Ringel erklärt: „Das, was psychisch krankmachend wirkt, sind bestimmte Gefühle, nicht der rationale, sondern der emotionale Bereich ist hier entscheidend. Dies unterstreicht die Bedeutung eines gesunden Gefühlslebens auch für die körperliche Gesundheit.“ Die entscheidende Schaltstelle zwischen Seele und Körper ist für Erwin Ringel das vegetative oder autonome Nervensystem. Dieses beherrscht alle Funktionen, die sich der Willkür des Menschen entziehen.
Gefühle erzeugen vegetative Reaktionen
Denn jedes menschliche Gefühl ist mit typischen vegetativen Reaktionen gekoppelt wie beispielsweise Angst mit Herzklopfen oder einem Schweißausbruch. Die Emotionen haben also einen besonderen Einfluss auf das Vegetativum. Hält dieses Angstgefühl über längere Zeit an, kann es zu einer körperlichen Störung kommen.
Erwin Ringel unterscheidet dabei ein erstes Stadium, in dem nur Funktionsstörungen eines Organs auftreten wie beispielsweise erhöhte Magensaftproduktion und ein zweites, in dem bereits Erkrankungen mit pathologisch-anatomisch fassbaren Veränderungen wie zum Beispiel einem Magengeschwür bestehen.
Psychosomatische Erkrankungen manifestieren sich vor allem in jenen Organen, die dem vegetativen Nervensystem unterstehen – also im Herzkreislaufsystem, im Atmungsbereich, im Magendarm- und Urigenitaltrakt, im Endokrinum (Drüsen mit innerer Sekretion) und im Bereich der Haut. Laut Erwin Ringel werden plötzliche, kurzdauernde Gefühle den Körper nicht krankmachend beeinflussen, außer sie treffen auf einen schon vorgeschädigten Organismus oder wenn es sich um besonders schwerwiegende akute Traumatisierungen handelt.
Bei einer Person, die sich in einem solchen seelischen Spannungszustand befindet, dass sie auch abends nicht abschalten kann, verschiebt sich das Gleichgewicht zugunsten des Sympathicus. Ein chronisch erhöhter Blutdruck kann die Folge sein. Gleichzeitig ist in einem solchen Fall die Gefahr der Entstehung einer psychosomatischen Erkrankung sehr groß.
Kurzbiographie: Erwin Ringel
Der bekannte Wiener Psychiater und Psychotherapeut Prof. Dr. Erwin Ringel wurde am 27. April 1921 in Temesvár, Rumänien, geboren. Als Suizidforscher baute er 1948 das erste Präventivzentrum für Selbstmordgefährdete in Wien auf. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen: „Der Selbstmord. Abschluss einer krankhaften Entwicklung“, „Selbstmordverhütung“, „Die österreichische Seele“, „Die ersten Jahre entscheiden“, sowie „Selbstschädigung durch Neurose: Psychotherapeutische Wege zur Selbstverwirklichung“. Erwin Ringel starb am 28. Juli 1994 in Bad Kleinkirchheim an Herzversagen.
Von Hans Klumbies