Ein gelingendes Leben ist ein urpersönliches Projekt
Ein gelingendes Leben führt ein Mensch, der nicht trickst und manipuliert, sondern der redlich versucht, seinen eigenen Fähigkeiten gemäß zu leben. Jeder Mensch hat ganz bestimmte Eigenschaften, über die kein anderer von sieben Milliarden Menschen genau so verfügt, und wenn er glücklich werden will, muss er versuchen, sich selbst zu erkennen, seine Bestimmung und damit seine ganz spezielle Chance im Leben wahrzunehmen. Manfred Lütz betont: „Nicht die Ziele, die andere einem Menschen von außen einreden, werden ihn glücklich machen, Glück kommt von innen, aus Selbsterkenntnis und Gelassenheit.“ Eine Psychologie des Gelingens nutzt die Erkenntnisse modernen Psychotherapie, die nicht mehr bloß die Defizite eines Patienten in den Blick nimmt und auch nicht unermüdlich die Frage nach dem Warum umkreist. Der Psychiater Manfred Lütz leitet in Köln eine Klinik für psychisch Kranke.
In einer Krise sollte man sich auf die eigenen Kräfte besinnen
Um ein gelingendes Leben zu führen, darf man also nicht nur die eigenen Fehler beobachten und analysieren. Man muss vielmehr den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit besonders auf die Ressourcen richten, auf die Kräfte und Fähigkeiten. Glück ist für Manfred Lütz die Freude am Gelingen. Ein gelingendes, ein in diesem Sinne geglücktes Leben ist ein höchst persönliches Projekt. Niemand anderes kann so glücklich werden, wie ein Mensch glücklich war, wie er glücklich ist und wie er glücklich sein wird.
Manfred Lütz warnt allerdings davor, mit einer rosa Brille durch das Leben zu tänzeln. Denn es gibt auch die Schattenseiten, die Probleme, die Begrenzungen, die zum Dasein dazugehören. Tatsächlich kann aber die Erinnerung an glückliche Momente des Lebens von einem Moment auf den anderen froh machen. So kann man auch in Situationen, die einen herausfordern, durch Besinnung auf die eigenen Kräfte, eine Krise besser bewältigen. Aber das stellt noch nicht sicher, dass ein ganzes Leben wirklich gelingt.
Grenzsituationen sind im Leben unvermeidlich
Wenn einen selbst in den Momenten, in denen wirklich etwas gelungen ist, immer noch schweigend und drohend vom Horizont des Lebens aus der unausweichliche Tod anblickt, das unvermeidliche Leid, die unabwendbaren Auseinandersetzungen in den Kämpfen jedes Lebens und schließlich die unerbittliche Schuld, dann kann man dennoch kein entspanntes glückliches Leben führen. Denn wer seine zutiefst menschliche Sensibilität nicht durch allerhand Unsinn völlig erstickt hat, spürt stets die untergründige Beunruhigung durch die unvermeidlichen Grenzsituationen menschlicher Existenz, wie der Philosoph Karl Jaspers sie nannte.
Wer darauf keine Antwort hat, kann nicht zu wirklichem, ruhigem, selbstgewissem, tieferem Glück durchdringen. Er wird gewiss manchmal Erfolg haben. Manches wird ihm sogar dauerhaft gelingen. Aber unbeschwert glücklich wird er so wohl kaum. Deshalb muss man sich die Frage stellen, ob und wie man im Angesicht von Grenzsituationen dennoch glücklich sein kann. Und deshalb rät Manfred Lütz kritisch zu prüfen, ob man im Tod, im Leid, im Kampf und in der Schuld wirklich ernsthaft glücklich werden kann. Quelle: „Wie Sie unvermeidlich glücklich werden“ von Manfred Lütz
Von Hans Klumbies