Echte Selbstkontrolle braucht wenig Willenskraft
Menschen mit guter Selbstkontrolle bewältigen ihr Leben im Voraus. Dazu setzen sie unbewusster Mittel der Selbstregulation ein. Damit machen sie „notwendige Übel“ wie gesunde Ernährung, Sport und Studium zu einem alltäglichen Teil ihres Lebens. Die positiven Aktivitäten werden zu routinemäßigen Angewohnheiten. Deshalb kostet es keine großen Kämpfe mehr, mit ihnen zu beginnen oder die Abneigung gegen sie zu überwinden. John Bargh erläutert: „Die bewusste, mühevolle Selbstkontrolle ist zu anstrengend und zu unzuverlässig, wie wir wissen, anfällig für Rationalisierungen und Ausreden.“ Denn echte, effektive Selbstkontrolle ist mit dem Einsatz von weniger statt mehr Willenskraft und Anstrengung bei der Ausführung der gewünschten Handlungen verbunden. Prof. Dr. John Bargh ist Professor für Psychologie an der Yale University. Dort leitet er das Automaticity in Cognition, Motivation, and Evaluation (ACME) Laboratory.
Unerwünschte äußere Reflexe muss man ausschalten
Personen mit einer guten Selbstkontrolle sind weniger Versuchungen ausgesetzt als andere und müssen sich generell weniger kontrollieren. Manche Menschen folgern daraus, dass Personen mit guter Selbstkontrolle einfach nicht dieselben starken Bedürfnisse haben wie die anderen. Der Dichter William Blake dachte jedenfalls so: „Diejenigen, die ihr Verlangen bezähmen, tun dies, weil das ihre schwach genug ist, bezähmt zu werden.“ Doch wie es scheint, irrte sich William Blake.
In Wirklichkeit organisieren effektive Selbstkontrolleure ihre Umgebung so, dass derartige verführerische Reize und Gelegenheiten gar nicht auftreten. Wenn sie einkaufen gehen, lassen sie die ungesunden Snacks liegen. Und wenn sie ihren Alkoholkonsum reduzieren wollen, verzichten sie darauf, ihre Hausbar besser auszustatten. Das ist die Kehrseite der Verwendung externer Signale zur Förderung des gewünschten Verhaltens. Hier besteht der Trick stattdessen darin, die unerwünschten äußeren Reflexe auszuschalten.
Die Veränderung der Umgebung verändert das Verhalten
Kentaro Fujita, Experte für Selbstkontrolle und Motivationsforscher an der Ohio State University, erklärt: „Der wirklich gute Diätpatient würde sich keinen Cupcake kaufen. Er wäre gar nicht erst an einer Konditorei vorbeigegangen. Und beim Anblick des Cupcakes hätte er eine Möglichkeit gefunden, igitt statt lecker zu sagen.“ Habituelle Verhaltensweisen sind in der regelmäßigen täglichen Umgebung begründet. Sie werden von ihr automatisch und unbewusst ausgelöst und aufrechterhalten.
Der beste Weg zur Veränderung des Verhaltens besteht für John Bargh deshalb in der Veränderung der Umgebung. Er rät: „Verbinden Sei die guten Angewohnheiten, die Sie sich gern zulegen möchten, mit einem Ort, den sie regelmäßig aufsuchen, und zu einem festen Zeitpunkt.“ Und was die schlechten Angewohnheiten betrifft, die man ablegen will: „Entfernen Sie die Reize und Gelegenheiten, die sie unterstützen, aus Ihrer Umgebung.“ Das Unbewusste wirkt sich stark und oftmals unsichtbar auf das Verhalten eines Menschen aus, manchmal sogar auf furchterregende Weise. Quelle: „Vor dem Denken“ von John Bargh
Von Hans Klumbies