Die Suche nach Liebe ist ein quälend schwierige Erfahrung
Der französischen Soziologin Eva Illouz fiel mit etwa zwanzig Jahren auf, dass alle Frauen um sie herum, sie selbst eingeschlossen, über Liebesdinge vor allem in psychologischen Begriffen sprachen und dass diese Redeweise ebenso viel enthüllte wie verbarg. Eva Illouz berichtet: „Irgendwann habe ich dieser Sprache kein Wort mehr geglaubt.“ Stattdessen begann sie, die Liebe aus der Perspektive der Soziologie zu betrachten. Ulrich Schnabel erklärt: „Dabei bleibt sie nicht abstrakt, sondern geht ins Konkrete: Sie befragt Menschen, durchforstet die Anzeigen in digitalen Kontaktbörsen, analysiert Romane ebenso wie Frauenzeitschriften, Werbeblätter und Fernsehshows.“ Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass die Suche nach Liebe für die allermeisten Männer und Frauen eine quälend schwierige Erfahrung ist. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.
Menschen unterliegen einem Regime emotionaler Authentizität
Wer all die Stimmen der Menschen hören könnte, die nach Liebe suchen, würde eine lange und laute Litanei des Jammerns und Stöhnens vernehmen. Zwar hätten auch frühere Generationen ihre Not mit der Liebe gehabt, gehörte doch zur Liebe immer auch das Liebesleid. Heute jedoch gibt es laut Eva Illouz etwas qualitativ Neues in der modernen Erfahrung des Liebeskummers und dieses Neue hat damit zu tun, dass die kulturelle Grammatik des Kapitalismus mit Macht in den Bereich heterosexueller romantischer Beziehungen eingedrungen ist.
Ulrich Schnabel erläutert: „So sind etwa mit dem Wegfall der traditionellen Regeln und Begrenzungen die Ansprüche an das eigene Gefühl massiv gestiegen. Während man früher davon ausging, dass sich die Liebe erst allmählich im Laufe der Annäherung einstellte, gilt heute einzig und allein das richtige Gefühl als Richtschnur unseres Verhaltens.“ Das setzt voraus, dass man stets um sein wahres Gefühl weiß und dass es dauerhaft als Fundament einer Beziehung bestehen bleibt. Eva Illouz schreibt: „Wir unterliegen einem Regime emotionaler Authentizität.“
„Mach etwas aus deinem Typ!“ lautet der Imperativ der Moderne
Dieses Regime quält den Betroffenen mit den typischen Fragen der modernen Liebenden: „Ist es nur Lust oder liebe ich ihn wirklich?“ „Werde ich ebenso wiedergeliebt?“ Hinzu kommen die Fülle der Optionen und die Qual der Wahl. In Zeiten der Dating-Portale steht einem Menschen eine unerschöpfliche Zahl von Kandidaten zur Verfügung, was zugleich bedeutet, dass man auch selbst für andere nur eine mögliche Option unter vielen ist. Die Partnerwahl wird damit ähnlichen ökonomischen Regeln unterworfen wie andere Konsumartikel.
„Mach etwas aus deinem Typ!“ lautet der Imperativ der Moderne. Un die Konsumwirtschaft hat es geschafft, diesen Gedanken auf die sexuelle Attraktivität auszudehnen. Zwar galten Schönheit und erotische Anziehung schon immer als wichtige Kriterien für die Liebe. Doch Schönheit verstand man in früheren Zeiten eher als ganzheitliche Eigenschaft, als Verbindung körperlicher, geistiger und moralischer Merkmale. Die Idee, die sexuelle Attraktivität isoliert zu betrachten, abgelöst von den übrigen Charaktereigenschaften einer Person, wären früheren Generationen sicher merkwürdig vorgekommen. Quelle: „Was kostet ein Lächeln?“ von Ulrich Schnabel
Von Hans Klumbies