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Die Menschen dürfen den Kunstwelten nicht zuviel Macht geben

Für die Wissenschaftsgläubigen ist die Welt das, was die Wissenschaft beschreibt. Für Menschen, die der Psychologie hörig ergeben sind, stellt sich ein gelungenes Leben so dar, wie es die psychologischen Ratgeber empfehlen. Personen, die nur den Medien vertrauen, halten für das eigentlich Wichtige nur noch das, was in der „Tagesschau“ berichtet wird. Die Akteure der Finanzwelt sehen den wahren Wert im Geldwert. Kein Mensch kann sich diesen Verlockungen völlig entziehen, denn jeder lebt unvermeidlich mit und in diesen Welten. Sie drängen machtvoll in das eigene kleine Leben. Der Psychiater, Psychotherapeut und Theologe Manfred Lütz schreibt: „Psychologisch erscheinen diese Welten wichtiger, wahrer und realer als unser zufälliges, persönliches, kurzes Leben von unserer Geburt bis zu unserm Tod.“ Doch seiner Meinung nach trügt dieser Eindruck.

Die Verdrängung des Todes führt zu einem verpassten Leben

Für Manfred Lütz ist in Wirklichkeit das Entscheidende unser eigenes, unwiederholbares Leben, und die Menschen laufen Gefahr, dieses Leben aus Versehen zu verpassen, wenn sie all jene Kunstwelten mit dem eigenen eigentlichen Leben verwechseln, das endlich ist und unweigerlich mit dem Tod endet. In dieser Begrenzung des Lebens sieht Manfred Lütz einen Vorzug: denn wer den Tod verdrängt, verpasst das Leben. In einem Leben ohne Tod wäre die Wirklichkeit eine Hölle, da alles korrigierbar wäre sowie gleichgültig wäre und es keine wichtigen Momente mehr gäbe.

Erst im Bewusstsein der Unwiederholbarkeit jedes Augenblicks kann der Mensch den eigentlich wichtigen Erfahrungen Raum geben. Sie sind es laut Manfred Lütz, die dem vergleichsweise kurzen menschlichen Leben seinen besonderen Geschmack und Charakter verleihen. Zu den existenziellen Erfahrungen zählen die Liebe, das Gute, das Böse sowie der Sinn des Lebens.

In der Unwiederholbarkeit des Augenblicks liegt der wahre Reiz des Lebens

Schon vor Jahren machte der Soziologe Ulrich Beck darauf aufmerksam, dass die sogenannte Ratgeberliteratur eine Schneise der Verwüstung durch Deutschland schlage. Auch für Manfred Lütz sprengt der Glaube an die Kompetenz der Psychologie hierzulande längst jedes Maß. Er schreibt: „Es gibt inzwischen Ratgeber für alles und jedes. Von Psycho-Experten erwartet man die ultimativen Lösungen für alle Lebensfragen.“

Die künstlichen Welten der Wissenschaft, der Psychologie, der Medien und der Finanzwelt verfälschen das Leben, wenn sich Menschen ganz in ihnen verlieren und dabei zuviel Macht über ihr eigenes Selbst zubilligen. Denn letztlich werden diese Kunstwelten für das Individuum psychologisch gefährlich, wenn sie dem Menschen nicht dienen, wie sie es eigentlich sollten, sondern ihn beherrschen. Das Ziel eines jeden Menschen sollte es sein, selbstbestimmt und im Bewusstsein der Unwiederholbarkeit jedes Augenblicks zu leben.

Von Hans Klumbies

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