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Die meisten Menschen hören anderen nicht zu

Ob bei der Arbeit oder zu Hause – die meisten Menschen haben, wenn sie etwas Wichtiges mitteilen möchten, grundsätzlich das Gefühl, dass die Angesprochenen das auch wissen wollen. Dieses Gefühl ist allerdings falsch. Wenn Menschen nicht einmal potenziell lebensrettenden Informationen wie einer Sicherheitseinweisung im Flugzeug Aufmerksamkeit schenken, kann man nicht davon ausgehen, dass sie hören wollen, was man zu sagen hat. Tali Sharot erläutert: „Wir müssen neu darüber nachdenken, was Menschen wirklich dazu bringt, gerne zuzuhören, und dann unsere Botschaft entsprechend verpacken, denn gehört zu werden ist die bei Weitem wichtigste Voraussetzung dafür, Einfluss zu nehmen.“ Tali Sharot wurde an der New York University in Psychologie und Neurowissenschaften promoviert und ist Professorin am Institut für experimentelle Psychologie der University of London.

Überzeugungen können glücklich oder traurig machen

Das Verlangen zu wissen, was auf einen zukommt, ist allzu menschlich. Wenn jemand über Informationen verfügt, mit denen sich vorhandene Wissenslücken bei anderen füllen lassen, dann sollte derjenige den Betreffenden diese Lücken bewusst machen. Sobald man einem Menschen sagt, was er nicht weiß, will er es wissen. Dieser Drang ist evolutionär uralt. In der Steinzeit zum Beispiel waren Informationen in vielen Fällen tatsächlich für das Überleben der Menschen nötig, weil frühzeitiges Wissen ihnen half, bessere Entscheidungen zu treffen.

Was ein Mensch erfährt, beeinflusst nicht allein, was er zu tun beschließt, sondern auch wie er sich fühlt. Das ist so, weil Informationen das Fundament seiner Überzeugungen sind, und weil sich diese Überzeugungen massiv darauf auswirken, wie glücklich er ist. Überzeugungen können Menschen also ebenso glücklich oder traurig machen wie tatsächliche Ereignisse. Tali Sharot erklärt: „Gerüstet mit der lebenslangen Erfahrung, dass uns Wissen der Verzweiflung ebenso nahe bringen kann wie der Glückseligkeit, haben wir gelernt, dass Information Einfluss auf unsere Gefühle hat und dass wir Informationen nutzen können, um unsere Emotionen zu steigern.“

Menschen gehen schlechten Nachrichten gerne aus dem Weg

Infolgedessen versuchen Menschen, sich den Kopf mit Wissen vollzustopfen, das in ihnen angenehme Vorstellungen erzeugt, und Informationen aus dem Weg zu gehen, die ihnen unangenehme Gedanken bescheren. Daher ziehen sie gute Nachrichten schlechten vor. Eine Botschaft in positivem Licht darzustellen erhöht deshalb die Chancen, dass Menschen sie anhören, und daher auch die Chancen, dass sie davon beeinflusst werden. Wenn Menschen argwöhnen, dass die Nachrichten schlecht sein werden, gehen sie der Botschaft mitunter aus dem Weg – auch wenn ihnen ihre Unwissenheit schaden könnte.

Während der Nutzen des Wissens das unangenehme Gefühl der Unsicherheit verringert, bestehen die Kosten des Wissens darin, dass nicht mehr die Möglichkeit besteht zu glauben, was man gerne glauben würde. Solange man beispielsweise Testergebnisse nicht kennt, kann man weiterhin glauben, dass man gesund ist – man kann seinen Geist mit positiven Gedanken beschäftigen. Zu testen gefährdet diese Gedanken, denn wenn man die Ergebnisse einmal hat, ist es unmöglich, sie nicht mehr zu kennen. Wenn die Diagnose unliebsam ist, wird sich das Leben von einem Augenblick auf den anderen verändern. Quelle: „Die Meinung der anderen“ von Tali Sharot

Von Hans Klumbies

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