Der Mensch wird am Du zum Ich
Die Liebe macht einen Menschen reifer. Diese Ansicht wird von der Forschung eindrücklich belebt, aber auch die allgemeine Lebenserfahrung legt das nahe. Wer sich auf eine längere Beziehung einlässt, der verändert sich in der Folge tiefgreifend. Christian Thiel betont: „Wer eine Beziehung eingeht, der wird weltoffener, gewissenhafter und selbstbewusster. Schüchternheit und neurotische Verhaltensweisen nehmen ab.“ Diese positiven Veränderungen der Persönlichkeit halten an, auch nachdem eine Partnerschaft zu Ende ist. Die Liebe kann also vergehen, die durch eine Partnerschaft erreichte persönliche Reife aber bleibt erhalten. Auch einzelne Verhaltensweisen und Charakterzüge verändern sich im Laufe einer Beziehung. Diese Veränderung hat in aller Regel eine für die Partner erfreuliche Richtung: Sie werden einander ähnlicher. Christian Thiel arbeitet seit vielen Jahren als Single- und Paarberater.
Druck auf den Partner verhärtet ihn
Es scheint so etwas wie ein Naturgesetz zu sein, dass die große Nähe in einer Beziehung dazu führt, dass man sich beim anderen einiges abschaut. Der Philosoph Martin Buber hat einmal gesagt: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“ In einer längeren Partnerschaft verändern sich die Partner automatisch. Der wichtigste Mechanismus, der hier am Werk ist, ist die Vorbildwirkung des Partners. Denn Menschen lernen am Vorbild, ähnlich wie Kinder am Beispiel der Eltern lernen – und nicht aufgrund der Erziehung, wie viele Eltern meinen.
Dem anderen ein Vorbild sein – das klingt viel leichter, als es in der Realität ist. Denn es setzt voraus, dass man sich durch den Partner nicht vom eigenen Weg abbringen lässt, sondern beharrlich seine Interessen und Ziele im Auge behält. Aber es gibt auch kontraproduktive Verhaltensweisen, die eine Veränderung des Partners blockieren. Die erste Blockade heißt Druck: „Du musst dich verändern!“ Dieser Anspruch bewirkt in der Regel das Gegenteil: Der Partner verhärtet sich. Auch Kinder blockieren, wenn sie sich unter Druck gesetzt fühlen.
Der Partner will geliebt werden
Christian Thiel nennt den Grund: „Sie fühlen sich nicht geliebt.“ Dem Partner zuliebe ist mancher bereit, das ein oder andere zu ändern. Aber unter Druck setzt er sich zur Wehr. Der Partner will geliebt werden – nicht verändert. Die zweite Blockade heißt: „Ich mache es besser – sieh das doch endlich ein.“ Auch dieser Anspruch stößt beinahe immer auf erbitterten Widerstand beim Partner. Die dritte Blockade, um Veränderungen zu verhindern, heißt: sofort. „Du musst sofort anders sein.“ Diese Forderung ist nicht zu erfüllen, da Menschen immer Zeit brauchen, um sich zu verändern.
„Du musst dich verändern!“ – hinter diesem Satz steht keine liebende Haltung, sondern das Gefühl einen Anspruch auf Veränderungen zu haben. Das Gegenrezept, den anderen in die gewünschte Form zu bringen, liegt für Christian Thiel auf der Hand: „Ich würde mich freuen, wenn du etwas ändern würdest. Weil ich mit deiner Art nicht gut zurechtkomme. Dafür hast du Zeit – Hauptsache ich sehe, dass sich etwas tut.“ Diese drei Sätze sind der Schlüssel zum Erfolg, denn sie reduzieren den Druck, der auf dem Partner lastet. Quelle: „Was glückliche Paare richtig machen“ von Christian Thiel
Von Hans Klumbies