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Der Begriff der Sünde ist aufgegeben worden

Heute hat das Wort „Sünde“ seine Macht und furchteinflößende Eindringlichkeit verloren. Es wird heute vor allem in Verbindung mit dick machenden Nachspeisen verwendet. David Brooks erläutert: „Die meisten Menschen sprechen in der alltäglichen Unterhaltung kaum über individuelle Sünden. Wenn sie überhaupt über das Böse sprechen, dann verorten sie dieses gewöhnlich in den Strukturen der Gesellschaft – in Ungleichheit, Unterdrückung, Rassismus und so weiter –, nicht im Einzelnen.“ Die Menschen haben den Begriff der Sünde aufgegeben, weil sie, erstens, die Auffassung, die menschliche Natur sei verdorben, hinter sich gelassen haben. Zweitens wurde das Wort „Sünde“ zu vielen Zeiten und an vielen Orten dazu verwendet, der Lust den Krieg zu erklären, selbst den gesunden Freuden der Sexualität und der Unterhaltung. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

Das Wort „Sünde“ wurde vielmals missbraucht

Die Sünde wurde als Vorwand benutzt, um ein freudloses Leben der Selbstkasteiung zu erzwingen. Man beschwor das Wort „Sünde“, um die Sinnesfreuden zu unterdrücken und Jugendliche mit den vermeintlichen Gefahren der Masturbation in Angst und Schrecken zu versetzen. Außerdem wurde das Wort „Sünde“ von den Selbstgerechten, von kaltherzigen Moralaposteln missbraucht, die schon die Möglichkeit aufschreckte, irgendjemand könnte irgendwo Spaß haben und die ganz erpicht darauf zu sein schienen, jemanden mit einem Lineal auf die Finger zu klopfen, in der Gewissheit, diese Person habe sich etwas zuschulden kommen lassen.

Der Begriff „Sünde“ wurde von Menschen entweiht, die einen übermäßig strengen und autoritären Erziehungsstil praktizierten, die glaubten, sie müssten die Verderbtheit aus ihren Kindern herausprügeln. David Brooks ergänzt: „Er wurde von denjenigen missbraucht, die, aus welchen Gründen auch immer, das Leiden fetischisierten, die meinten, nur durch harte Selbstkasteiung könne sich der Mensch moralisch bessern und gut werden.“ Tatsächlich ist „Sünde“ wie „Berufung“ und „Seele“ eines der Wörter, ohne die die Menschen nicht auskommen.

Alle Menschen sind Sünder

Die Sünde ist ein notwendiges Element des geistigen Rüstzeugs, weil sie die Menschen daran erinnert, dass das Leben eine moralische Angelegenheit ist. Denn die grundlegenden Aspekte des Lebens sind Fragen der individuellen Verantwortung und moralischen Entscheidung: „Es geht darum, ob wir tapfer oder feige, aufrichtig oder hinterlistig, mitfühlend oder hartherzig, treu oder treulos sind.“ Die Sünde betrifft die Gemeinschaft, während Versagen etwas Individuelles ist. Ein Mensch macht einen Fehler und trägt die Konsequenz, aber allen Menschen machen Sünden Einzelner wie Selbstsucht und Rücksichtslosigkeit zu schaffen.

Die Sündhaftigkeit ist der menschlichen Natur eingebrannt und wird von einer Generation an die nächste weitergegeben. Alle Menschen sind Sünder. David Brooks erklärt: „Sich der eigenen Südhaftigkeit bewusst zu sein, bedeutet, ein starkes Mitgefühl mit anderen, die sündigen, zu empfinden. Es erinnert uns daran, dass nicht nur das Übel der Sünde, sondern auch die Lösungen die Gemeinschaft betreffen.“ Außerdem ist der Begriff der Sünde auch deshalb notwendig, weil er von Grund auf wahr ist. Quelle: „Charakter“ von David Brooks

Von Hans Klumbies

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