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Die große Erschöpfung hat viele Gesichter

Die Krisen der äußeren Welt verschärfen die Folgen von falschen Entscheidungen und Selbsttäuschungen in der inneren Welt der Menschen. Andras Salcher stellt fest: „Die große Erschöpfung hat viele Gesichter. Unser Planet ist erschöpft von der gnadenlosen Ausbeutung und Zerstörung seiner Schätze. Unsere Welt ist erschöpft von der ständigen Unsicherheit.“ Die Gesellschaft ist erschöpft von der Politik. Viele Kinder sind erschöpft vom Bildungssystem. Die Ärzte und das Pflegepersonal arbeiten am Anschlag wegen der nie enden wollenden Wellen der Pandemie. Viele Lehrer sind überfordert vom permanenten Wechsel zwischen Präsenzunterricht und Homeschooling. Frauen sind mit ihren Nerven am Ende wegen der unerfüllbaren Erwartungen an sie. Dr. Andreas Salcher ist Mitgebegründer der „Sir Karl-Popper-Schule“ für besonders begabte Kinder. Mit mehr als 250.000 verkauften Büchern gilt er als einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren Österreichs.

Krisen sind nicht die tiefere Ursache für die Erschöpfung

Viele Männer sind erschöpft, weil sie nicht zugeben dürfen, am Ende ihrer Kräfte zu sein. Mitarbeiter sind gestresst von den stundenlangen Zoom-Meetings. Die einen reagieren darauf mit dem Willen, etwas zu ändern, die anderen sagen: „Ich halte das alles nicht mehr aus.“ Manche Menschen erkennen auch, dass zwischen Selbstfürsorge und Egoismus liegen. Eine Kumulation der Krisen ist meist nur der Auslöser, aber nicht die tiefere Ursache für die Erschöpfung, die Menschen quer durch alle Schichten quält.

Albert Camus schreibt: „Die Einbildung tröstet die Menschen über das, was sie nicht sein können. Der Humor tröstet sie darüber hinweg, was sie wirklich sind.“ Die meisten Eltern und Großeltern mussten hart arbeiten, sie hatten aber realistische Erwartungen an das Leben. Andreas Salcher beobachtet: „Heute lassen sich viele Menschen einreden, dass sie überall perfekt sein müssen. Einen unrealistisch hohen Perfektionsanspruch in allen Lebensbereichen stellen überwiegend Frauen an sich selbst.“

Für die eigenen Bedürfnisse sollte man sich Zeit nehmen

Familientherapeutin Martina Rammer-Gmeiner erklärt: „Nehmen wir als Beispiel eine Frau mit einem Kind, mit einem Teilzeitjob und in einer aufrechten Beziehung lebend. Die stellt dann an sich selbst den Anspruch, die perfekte Mutter und im Job super zu sein. Das Kind wird täglich von ihr auf maximal gute Leistungen in der Schule trainiert, die Wohnung muss jederzeit total sauber und sie selbst immer tipptopp gestylt sein. Selbst wenn sie sich eine Putzfrau leistet, stöhnt sie, dass sie hinter dieser noch nachwischen müsse.“

Die Therapeutin empfiehlt ihren Klientinnen, klare Prioritäten zu setzen und den Perfektionsanspruch auf wenige Bereiche zu reduzieren. Dann bleibt auch Zeit für die eigenen Bedürfnisse. Andreas Salcher weiß: „Dabei helfen einfache Fragen: Was brauche ich für mich selbst, damit es nicht nur meinem Partner, meinen Kindern und meinem Chef gut geht? Was war früher vor der Krise besser, das jetzt schlecht ist? Was kann ich konkret für mich tun, damit es mir in der schwierigen Zeit trotzdem gut geht?“ Quelle: „Die große Erschöpfung“ von Andreas Salcher

Von Hans Klumbies

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