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Viele Eltern lieben ihre Kinder nicht bedingungslos

Die Kindererziehung zeichnet sich heutzutage durch zwei bestimmende Merkmale aus. David Brooks kennt sie: „Erstens, Kinder werden heute in einem beispiellosen Maß gelobt. Schon Dorothy Parker scherzte, amerikanische Kinder würden nicht großgezogen, sondern angespornt – sie erhielten Nahrung, Unterkunft und Beifall. Das gilt heute noch viel mehr. Kinder bekommen unentwegt zu hören, wie besonders sie sind.“ Junge Menschen sind von so viel Lob umgeben, dass sie sich extrem hohe Ziele setzen. Laut einer Erhebung von Ernst & Young wollen 65 Prozent der Studenten Millionäre werden. Das zweite definierende Merkmal ist, dass Kinder heute in einem beispiellosen Ausmaß erzieherisch gefördert werden. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

Die elterliche Liebe richtet sich nach der erbrachten Leistung

Eltern, zumindest in den gebildeteren, wohlhabenderen Schichten, verbringen viel mehr Zeit damit, ihre Kinder gezielt zu fördern, in ihre Fähigkeiten zu investieren und sie zu Übungen und Lernen anzuhalten, als frühere Generationen. Diese beiden großen Trends – mehr Lob und mehr Förderung – wirken in einer interessanten Weise zusammen. Kinder werden mit Liebe überschüttet, aber es ist oftmals eine Liebe „unter Auflagen“. Eltern überhäufen ihre Kinder mit Zuneigung, aber es ist keine bedingungslose, sondern eine „leistungsgebundene“ Zuneigung.

Diese Zuneigung ist vermischt mit dem Wunsch, ihren Kindern zu helfen, gesellschaftlich erfolgreich zu sein. David Brooks erklärt: „Manche Eltern nutzen ihre Liebesbekundungen unbewusst dazu, ihre Kinder zu einem Verhalten zu drängen, das ihres Erachtens zu Erfolg und Glück führen wird.“ Eltern sind stolz und begeistert, wenn ihr Kind eifrig studiert, fleißig übt, als Klassenbester abschneidet, die Aufnahme auf ein renommiertes College oder in eine Ehrenverbindung schafft. Die elterliche Liebe richtet sich nach der erbrachten Leistung.

Die schemenhafte Anwesenheit bedingter Liebe erzeugt Angst

In den 1950er-Jahren ließen Eltern viel eher verlauten, dass sie von ihren Kindern Gehorsam erwarten, als Eltern heutzutage. Diese sagen Meinungsforschern, dass sie ihre Kinder zu selbstständig denkenden Wesen erziehen wollen. Aber dieser Wunsch nach Gehorsam ist nicht verschwunden, er ist lediglich in den Untergrund abgedrängt worden – aus dem einfachen System von Regeln und Belehrungen, Belohnung und Bestrafung in die halb verborgene Welt von Bestätigung und Missbilligung.

Im Schatten dieser leistungsbezogenen Liebe lauert die Möglichkeit, dass sie entzogen wird, wenn das Kind enttäuscht. Eltern würden dies bestreiten, aber hier lauert der Wolf der bedingten Liebe. David Brooks erläutert: „Diese schemenhafte Anwesenheit bedingter Liebe erzeugt Angst, dass es keine absolut sichere Liebe gibt, dass es keinen völlig sicheren Ort gibt, an dem junge Menschen vollkommen ehrlich und sie selbst sein können.“ Andererseits können Beziehungen zwischen Eltern und Kindern enger sein als je zuvor. Quelle: „Charakter“ von David Brooks

Von Hans Klumbies

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