Psychopathen sind oft clever und geistig gesund
Im Jahr 1833 formulierte James Prichard eine frühe Version dessen, was Psychologen inzwischen Psychopathie nennt. Er verwendete die Bezeichnung „moralisches Irresein“. Menschen, bei denen diese Diagnose zutrifft, treffen schlechte moralische Entscheidungen. Sie wiesen aber keine Mängel in puncto Intelligenz oder psychische Gesundheit auf. Julia Shaw weiß: „Auch Psychopathen sind oft clever und geistig gesund und tun Dinge, die nach allgemeiner Auffassung unmoralisch sind.“ Heutzutage hat die am häufigsten verwendete Definition der Psychopathie die Form einer Checkliste – der revidierten Psychopathie-Checkliste (PCL-R). Die erste Psychopathie-Checkliste stammt vom kanadischen Psychologen Sir Robert Hare aus den 1970er-Jahren als Tool für Psychologen und Forscher, Menschen auf strukturierte Weise als Psychopathen diagnostizieren zu können. Julia Shaw forscht am University College London im Bereich der Rechtspsychologie, Erinnerung und Künstlicher Intelligenz.
Das bestimmende Merkmal der Psychopathie ist fehlende Empathie
Laut dieser Checkliste zählen zu den bestimmenden Merkmalen der Psychopathie unter anderem oberflächlicher Charme, Lügen, Mangel an Gewissensbissen, antisoziales Verhalten, Egozentrik und – vor allem – ein Mangel an Empathie. Die meisten Menschen würden sagen, dass das bestimmende Merkmal der Psychopathie fehlende Empathie ist. Das Fehlen von Empathie wird stark mit Verbrechen in Verbindung gebracht. Eine solche Diagnose bedeutet, dass die Betroffenen, wenn sie ein Verbrechen begehen oder Regeln brechen, nicht unter Gefühlen wie Reue oder Traurigkeit leiden.
Julia Shaw erläutert: „Empathie macht es wirklich schwer, Menschen wehzutun.“ Psychopathen dagegen können besonders skrupellos sein. Es scheint ein allgemeiner Konsens zu herrschen, dass es Straftäter und psychopathische Straftäter gibt. Und das Letztere in eine gesonderte, beängstigende Kategorie fallen. Jüngste Bildgebungsstudien legen nahe, dass dem psychopathischen Verhalten eine abnormale Hirnaktivität zugrunde liegt. Wie es scheint, unterscheiden sich also die Gehirne von Psychopathen von den Gehirnen von Nichtpsychopathen.
Adolf Hitlers Gehirn weist eine 08/15-Architektur auf
Bei Psychopathen funktioniert der für Entscheidungen wie auch der für Emotionen verantwortliche Teil des Gehirns nicht richtig. Aufgrund von Ergebnissen wie diesen argumentieren einige, dass man das Gehirn, zumindest teilweise, dafür verantwortlich machen könne, wenn ein Psychopath die Entscheidung trifft, ein Verbrechen zu begehen. Julia Shaw rät zur Vorsicht: „Doch so wie wir bei einem Blick in Adolf Hitlers Gehirn ernüchtert auf seine 08/15-Architektur blicken würden, so könnten wir bei einem Blick in das Gehirn eines Psychopathen auch nicht sagen, ob er aggressiv werden wird.
Dies illustriert der Fall des amerikanischen Neurowissenschaftlers James Fallon, der die Gehirne psychopathischer Mörder untersucht. Nachdem er die Gehirne vieler seiner Probanden gescannt hatte, hielt er das Bild eines eindeutig pathologischen Hirns in der Hand. Wie sich herausstelle, war es sein eigenes. „Ich habe nie jemanden getötet oder vergewaltigt“, sagte James Fallon 2013 in einem Interview. „Mein erster Gedanke war, dass meine Hypothese vielleicht falsch wäre und dass diese Hirnbereiche keine Hinweise auf Psychopathie oder Morde geben.“ Dann fand er jedoch nach und nach heraus, dass es unter seinen Ahnen mindestens acht Personen gab, die jemanden umgebracht hatten. Quelle: „Böse“ von Julia Shaw
Von Hans Klumbies