Jeder Mensch befindet sich im Strom seiner Familiengeschichte
Ob es die Menschen wollen oder nicht, ob sie es wahrhaben wollen oder nicht, sie befinden sich mitten im Strom ihrer Familiengeschichte. Dabei ist es äußerst spannend und wichtig zu erfahren, welche Ereignisse, Erlebnisse, welche Kräfte der Gefühle und welche Personen aus der Tiefe der Vergangenheit auf den jeweiligen Menschen Einfluss genommen haben könnten. Uwe Böschemeyer fügt hinzu: „Wir können dann selbst entscheiden, ob wir dieses Erbe weiterleben wollen oder nicht.“ Dass jedes Individuum der Gattung Mensch angehört, bezweifelt bekanntlich niemand. Dass jeder Mensch einzigartig ist, bejaht jeder gerne. Im Jahr 1975 erwarb Uwe Böschemeyer bei Prof. Viktor Frankl sein Zertifikat in Logotherapie und Existenzanalyse. 1982 gründete er das Institut für Logotherapie in Hamburg. Die Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Wertimagination und die Wertorientierte Persönlichkeitsbildung.
Fritz Riemann benennt vier menschliche Grundängste
Doch das alle Menschen auch einen Typus zugehörig sein sollen, man kann statt Typus auch Struktur oder Charakter sagen, finden die meisten wenig attraktiv und daher zweifelhaft. Schon Hippokrates sprach von den vier Temperamenten. Die Wesensmerkmale sanguinisch, melancholisch, cholerisch und phlegmatisch führte er auf verschiedene Körpersäfte wie Blut, schwarze Galle, Galle und Schleim zurück. Zu den bekannten Typologen zählen unter anderem auch Ernst Kretschmer, Carl Gustav Jung, Karen Horney und der Psychoanalytiker Fritz Riemann.
Fritz Riemann geht von vier menschlichen Grundängsten aus: Angst vor Nähe, Distanz, Veränderung und Beständigkeit. Aus diesen leitet er vier Grundtypen ab: den schizoiden, den depressiven, den zwanghaften und den hysterischen. Uwe Böschemeyer ergänzt: „Alle Modelle dieser Art gehen davon aus, dass alle Menschen zwar unterschiedlich sind, es jedoch viele gibt, die sich in auffallender Weise ähneln.“ Wer sich mit Typologien auseinandersetzt, sollte sich zweierlei bewusst machen: Zum einen, dass ein Mensch immer mehr ist als sein Typus, nämlich ein Individuum.
Uwe Böschemeyer stellt die Typenlehre des Enneagramms vor
Zum anderen, dass der Typus erste wichtige Hinweise auf die Frage gibt, wer jemand ist. Besonders hilfreich erscheint dabei Uwe Böschemeyer die Typenlehre des „Enneagramms“. Sie zeigt mit erstaunlicher Klarheit, dass und wie Menschen unterschiedlicher Typen unterschiedlich denken, empfinden, fühlen und handeln. Das bedeutet: Wenn ein Mensch weiß, welchem Typus er angehört, kann er sich dessen bewusst werden, welche Gedanken und Gefühle, seien sie positiv oder negativ, er mit vielen anderen gemeinsam hat, welche seine ureigenen sind und wer er persönlich werden könnte.
Wer Einblick in diese Schatzgrube der Menschenkenntnis hat, kann auch viel differenzierter, verständnisvoller, freier, auch nüchterner mit sich selbst und anderen umgehen. Uwe Böschemeyer erklärt: „Darüber hinaus zeigt sich in erstaunlicher Klarheit, dass mit jedem Typus eine spezifische Sinnproblematik und – als Gegenpol – ein bestimmtes Potential, eine spezielle Wertmöglichkeit verbunden ist.“ Je deutlicher die Sinnproblematik erkannt, erfühlt und durchlitten wird, je klarer sich ein Mensch auf die mit seinem Typus verbundene Wertmöglichkeit ausrichtet, desto leichter nähert er sich seinem Wesen, seiner Identität, sich selbst an.
Von Hans Klumbies