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Jeder Augenblick ist unwiederbringlich

Ein Mensch sollte ein Bewusstsein davon haben, dass jeder Augenblick unwiederbringlich ist. Und auch die Person selbst ist in diesem Augenblick ganz und gar unwiederbringlich. Das Selbst ist als Ereignis zu betrachten, welches das Erleben von Identität aus dem geschichtlichen Leben herauslöst. Alles, was ein Mensch ist, ist jetzt. „Alles Bewusstsein“, hat Johann Gottlieb Fichte geschrieben, sei „bedingt durch das unmittelbare Bewusstsein unserer selbst“. Johann Gottlieb Fichte war von der Vorstellung bestimmt, dass sich ein Mensch jederzeit unmittelbar durch Präsenz zu erfahren vermag. Georg Milzner ergänzt: „Und zwar auch und gerade da, wo sich unser Bewusstsein auf etwas anscheinend Banales, Leeres richtet.“ Noch bevor er denkt, spielt der Mensch. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

Der Mensch erspielt sich selbst

Und das Spiel begleitet ein Individuum sein ganzes Leben lang. Noch der ernsthafteste Mensch erwischt sich mitunter dabei, einen Ball in die Luft zu werfen und wieder zu fangen. Georg Milzner weiß: „Aber vor allem erspielen wir uns selbst. Erspielen uns als Kinder die unterschiedlichsten Rollen – Cowboy und Fee, Raumfahrer und Heilerin, Wissenschaftlerin und Bergsteiger – noch ohne jeden Bezug zu einer Form von Berufswahl.“ Und doch gibt jedes dieser Rollenspiele einer Facette des eigenen Selbst Raum.

In der heutigen Zeit nimmt das Spiel in einer neuen Qualität Raum ein. „Gamification“ heißt das Phänomen, dass Elemente von Computerspielen auch in Bereiche einzudringen beginnen, die eigentlich gar nichts mit Spielen zu tun haben. Für Georg Milzner scheint das Spiel sogar ein gangbarer Weg zurück zur Selbstaufmerksamkeit zu sein. Der Anfang ist dabei einfach. Jeder sollte zunächst für sich selbst klären, was seine Lieblingsspiele sind. Das wird dann eventuell doch nicht ganz leicht, denn Erwachsene haben zum Spiel ein anderes Verhältnis als Kinder.

Erzählt wird immer und überall

Und nicht wenige Erwachsene würden sagen, dass sie überhaupt nicht spielen. Wie aber, wenn der Weg zum Selbst etwas mit Spielen zu tun hätte? Auch Kinder spielen ja nicht nur zum Spaß, sie erspielen sich vielmehr ihr Leben. Georg Milzner erklärt: „Sie erproben im Spiel, wie etwas wäre oder was möglich sein könnte. Übertreten im Spiel Grenzen, die sie sonst nicht übertreten dürften.“ Vom Rollenspiel über Gedankenexperimente bis hin zum Erleben des eigenen Selbst im Computerspiel – es gibt eine große Vielfalt an Möglichkeiten, sich selbst im Spiel zu erfahren.

Das Erzählen ist die vielleicht einzige Konstante, die alle Weltkulturen gemeinsam haben. Es gibt Kulturen, in denen nicht getanzt, und solche, in denen keine Bilder gemalt werden. Bei manchen steht das Denken hoch im Kurs, bei anderen nicht so sehr. Aber erzählt wird immer und überall. Vor diesem Hintergrund ist es schade, dass die Fähigkeit, zu erzählen, momentan abnimmt. Die Kompetenz, farbig zu erzählen lässt insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach. Quelle: „Wir sind überall, nur nicht bei uns“ von Georg Milzner

Von Hans Klumbies

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