Über Konflikte muss man diskutieren
Treten Konflikte auf, muss man darüber diskutieren. Denn die unterschiedlichen Erwartungen braucht niemand einfach so, weil es eben so ist, akzeptieren. Dieses Recht haben aber natürlich die Mitmenschen auch, die müssen ebenfalls nicht die eigenen Gesetze fraglos anerkennen. Helga Kernstock-Redl rät: „Bei unterschiedlichen Auffassungen, enttäuschten Erwartungen und Konflikten ist es immer zielführend, zuerst die dazugehörigen, inneren Gesetzestexte herauszuarbeiten, zu vergleichen und dann eventuell im gemeinsamen Gespräch zu überprüfen.“ Vielleicht lässt sich so Klärung und Einigung erzielen.“ Schuldig im Sinne der Rechtsprechung kann nur werden, wer zurechnungsfähig ist und in einer konkreten Situation auch so handeln kann. Echte Schuld braucht dementsprechend innere Steuerungsmöglichkeit, Vernunft und Denkvermögen. Helga Kernstock-Redl ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Psychologie der Gefühlswelt.
Kinder können nicht schuldhaft im juristischen Sinn handeln
Diese Fähigkeiten können laut Gesetz keinem Kind zur Verfügung stehen. Auch für Erwachsene vermindern manche seelischen oder körperlichen Zustände mit reduzierter oder fehlender Zurechnungsfähigkeit die Schuld. Sie machen manchmal sogar schuldunfähig, ihnen wird dann vielleicht jemand zur Seite gestellt, der teilweise oder volle Verantwortung übernimmt. Dieser Faktor wird, besonders wieder in Konflikten, heiß diskutiert: „Ich war so überlastet und konnte nicht klar denken.“
Eine fundamental wichtige Grundsatzentscheidung war es, in weiten Teilen der Welt gesetzlich zu verankern, dass Kinder noch gar nicht die notwendigen Fähigkeiten haben, wirklich schuldhaft im juristischen Sinn zu handeln. Helga Kernstock-Redl erklärt: „Sie können die Folgen ihres Handelns nicht abschätzen, sich nicht gut selbst steuern und sind noch einfacher beeinflussbar als wir Erwachsene.“ Im familiären und schulischen Alltag ist man jedoch nicht vor Gericht. Schuldig im Sinne der Rechtsprechung wird nur, wer sich für ein unrechtes Verhalten entscheidet, obwohl er sich für das rechte hätte entscheiden können.
Der „rechtfertigende Notstand“ ist schuldmindernd
Nur wer eine Wahl hat, hat auch eine Schuld. Eine verminderte Wahlmöglichkeit kann aus psychischen, körperlichen oder situativen Notlagen heraus entstehen: Der „rechtfertigende Notstand“ wirkt genau deshalb schuldmindernd, Krankheiten oder emotionale Ausnahmezustände ebenfalls. Wegen Hunger zu stehlen, verursacht weniger Schuld und daher geringere Strafe als ein Diebstahl aus Langeweile. Auf die fehlende Wahlmöglichkeit zu pochen, gehört zu den beliebtesten Argumenten bei eskalierenden Streitigkeiten.
Helga Kernstock-Redl betont: „Wahlmöglichkeiten aufzuzeigen, lässt übrigens Schulgefühle entstehen – samt der kostbaren Bereitschaft zu einer Entschuldigung.“ Im Alltag kann die Prüfung dieses Faktors sehr hilfreich sein. Helga Kernstock-Redl begegnen Menschen mit überaus quälenden Schuldgefühlen, weil sie falsche Entscheidungen getroffen haben, dabei aber keine echte Wahl hatten. Denn es ist natürlich keineswegs so, dass jede freie Entscheidung, jede selbst gewählte Handlung, die eine Kette von Ereignissen nach sich zieht, automatisch zu echter Ursachen-Schuld führen muss. Quelle: „Schuldgefühle von Karin Kernstock-Redl
Von Hans Klumbies