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Soziale Regeln sparen Zeit und Energie

Die inneren moralischen und sozialen Regeln helfen dem Gehirn beim Energiesparen. Helga Kernstock-Redl erklärt: „Jedes einzelne, äußere oder innere Gesetz, jede soziale Spielregel ist eine in Form gegossene Erwartung. Es ist damit fixiert. Das ermöglicht Vorhersage und erspart uns die permanente, zeitaufwendige Neuorientierung.“ Sobald die Mehrheit in einer Gruppe ähnliche Erwartungen hat, können sich die Mitglieder reibungslos danach richten. Sie wissen deshalb, was zu tun ist und wie sich die anderen verhalten werden. Man muss sich nicht immer neu orientieren oder entscheiden, was richtig und falsch ist. Zudem ist man nicht gezwungen, immer neue Informationen zu sammeln, individuelle Vorkehrungen zu treffen oder ständig neue Regeln auszuhandeln. Das spart Zeit und Energie. Helga Kernstock-Redl ist Psychologin und Psychotherapeutin. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Psychologie der Gefühlswelt.

Das Gehirn mag Fragen sehr gern

Dieses System der Erwartungsbildung hat jedoch auch einen Nachteil, trotz aller Denk- und Zeitersparnis. Es irrt sich nämlich manchmal. Sobald man selbst oder eine Vertrauensperson eine der zentralen oder moralischen Erwartungen bricht, kann das die Betroffenen bis in die Grundfesten erschüttern. Im ersten Fall folgen quälende Schuldgefühle, im zweiten Schuldzuweisungen, starke Opfergefühle oder Traumafolgen. In enttäuschten Paarbeziehungen beginnen deshalb oft die sogenannten „Rosenkriege“.

Gespeicherte Informationen möglichst rasch zu liefern, ist eine wichtige Aufgabe des Gehirns. Dazu zählen Erinnerungen, Zusammenhänge, bekannte Erklärungen, frühere Vorhersagen, Gesetze und Fakten. Helga Kernstock-Redl weiß: „Eine zentrale Möglichkeit, um Informationen bewusst aufzurufen, ist es, Fragen zu stellen. Unser Gehirn mag Fragen sehr gern, denn so weiß es, wonach es Ausschau halten soll.“ Voller Elan stürzt es sich in die Suche, fast wie eine Suchmaschine das Internet durchforstet, sobald man Schlüsselworte eingibt.

Gute Fragen wollen gut überlegt sein

Kein Gehirn kann jedoch bei Beschimpfung, Drohung oder böser Kritik gut arbeiten. Gute Fragen wollen gut überlegt sein. Helga Kernstock-Redl hat sich deshalb angewöhnt, sehr gewissenhaft auf Fragen an sich selbst zu achten. Indirekte Fragen oder doppelte Verneinungen stiften nur Verwirrung: „Was darf ich nicht tun, um Unglück zu vermeiden?“ Bessere Suchergebnisse liefert vermutlich: „Was will ich tun, um einen Moment Glück zu finden?“

Unlösbare Fragestellungen verursachen Endlosschleifen. Denn das Gehirn geht trotz der Aussichtslosigkeit nach einer befriedigenden Antwort auf die Suche und läuft schlimmstenfalls jahrelang im Kreis. Helga Kernstock-Redl gibt dazu einen wichtigen Tipp: „Sollten Sie längere Zeit keine Antwort finden, dann ist entweder die geforderte Information im Gehirn nicht verfügbar oder die Frage selbst ist schlecht! Verändern Sie schleunigst die Frage!“ Depressionen zeichnen sich beispielsweise durch extrem intensives Nachdenken über schlechte Fragen aus, die permanent Schuldgefühle nähren. Quelle: „Schuldgefühle“ von Helga Kernstock-Redl

Von Hans Klumbies

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